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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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einmal?«
    »Nun, alles lässt sich bedenken, wenn nur das rechte Angebot kommt. Da mein Vetter derjenige ist, der durch Euch beleidigt wurde, sollte er auch den ersten Schritt machen. Eine Sühne von Seiten Graf Johanns könnte Einiges verhindern, doch ich befürchte, dafür habt Ihr ihn zu sehr gekränkt, Ribe.«
    Nach jenen Worten war die Unterhaltung über dieses Thema beendet. Eccards Hals war wie zugeschnürt. Hatte er damals im Wald wirklich richtig gehandelt? Plötzlich kamen ihm Zweifel. In drei Tagen sollte er sich auf dem Gutshof mit dem Propst treffen, und er hatte keine Ahnung, was ihn dort erwartete.
    Nach ihrem fast schon fluchtartigen Verlassen Kölns, hatten sich Everard und Kuno Richtung Nordosten gen Münster gewandt. Der Weg dorthin führte sie zunächst einen Tag lang über flache Landschaften, dann aber wurde ihre Reise beschwerlicher. Weitgeschwungene Wald- und Wiesenhügel stiegen plötzlich an zu regelrechten Bergen, deren Überquerung mühsam war. Sie kamen nur langsam voran – die Reise zu ihrem Endziel nach Sandstedt würde also noch einige Zeit in Anspruch nehmen, was auch dem schneereichen Wetter geschuldet war. Doch welchen Grund hatten sie auch, sich zu beeilen? Was erwartete sie schon? Ein gar winziges Dorf, welches bald ihr neues Zuhause sein würde – nicht mehr und nicht weniger. Die Männer hatten also eine Menge Zeit, um sich etwas besser kennenzulernen.
    Waren sie auch vor Kurzem noch Dieb und Bestohlener gewesen, so stellte der jeweils andere jetzt die einzige einigermaßen vertraute Person in ihrem Leben dar. Es war seltsam, doch nun, nachdem keiner von ihnen mehr etwas besaß, sie allein und heimatlos waren, gab es auch keinen Grund mehr für irgendwelche Zwietracht; der Weg war frei, um aus Feindschaft langsam Freundschaft werden zu lassen.
    »Vater«, begann Kuno, nachdem sie den ganzen Tag über nur wenige Worte gesprochen hatten.
    »Ja?«
    »Darf ich Euch eine Frage stellen?«
    »Nur zu. Ich habe gerade nichts anderes zu tun, weißt du …«, spottete der Geistliche, dem die Füße vom vielen Laufen wehtaten. Wieder einmal stellte er fest, was für ein lausiger Pilger er war: Ging es bergauf, wurde seine Laune schlechter. Ging es wieder bergab, wurde sie besser. Er konnte nichts dagegen tun, so kindisch das auch war.
    »Warum habt Ihr Eure Pläne, nach Rom zu reisen, so plötzlich geändert? Weshalb wollt Ihr jetzt nach Sandstedt zurück, wo Ihr herkommt?«
    »Vielleicht vermisse ich meine Heimat?«, gab der Priester ausweichend zur Antwort.
    Kuno wusste natürlich, dass das nicht stimmte. Er versuchte es noch mal auf anderem Wege. »Ihr sagtet, dass es bloß ein kleines Dorf ist …«
    »Ja, es ist bloß ein Dorf. Was wundert dich daran? Nicht jeder erblickt in einer Stadt das Licht der Welt, so wie du.«
    »Das meine ich nicht. Ich … ich frage mich nur …«
    Everard blieb stehen und schaute Kuno an. »Was fragst du dich, Junge? Rede nicht drum herum, sondern sage es deutlich.«
    »Nun ja, Ihr hattet so viele Münzen bei Euch …«
    »Danke, dass du mich daran erinnerst! Es stimmt, ich hatte viele Münzen!«
    Kuno ging nicht darauf ein. Stattdessen fragte er weiter. »Seid Ihr ein reicher Mann? Und wenn ja, kommt Ihr wirklich aus einem Dorf in Friesland, wo immer das auch liegt? Gibt es dort viele reiche Männer? Und warum hattet Ihr vor, bis nach Rom zu pilgern? Das ist ein weiter Weg …!«
    »Schon gut, schon gut! Hör auf mich auszufragen!«, beendete der Geistliche Kunos Redefluss. Dann setzte er seinen Weg fort. Eine Zeit lang gingen sie nebeneinander her, ohne dass ein Wort fiel. Everard dachte nach. Er wusste, er hätte Kunos Neugier mit ein oder zwei kleinen Lügen stillen können, doch es gab auch noch eine andere Möglichkeit. Warum sollte er ihm nicht einfach die Wahrheit erzählen? Die ganze Wahrheit – von vorne bis hinten. So viele Jahre trug Everard seine Geheimnisse nun schon mit sich herum. Er hatte sie hüten müssen, da er das Versprechen abgegeben hatte zu schweigen. Doch dieses Versprechen war heute keinen Brakteat mehr wert! Sehr wahrscheinlich würde er niemanden aus seiner Vergangenheit jemals wiedersehen. Die Zeit der Heimlichkeiten hatte ein Ende – das wurde ihm jetzt bewusst.
    »Ich werde dir jetzt etwas erzählen, das ich noch niemals jemandem erzählt habe. Meine ganze Geschichte. Willst du sie hören?«
    »Nur zu, Vater! Ich habe gerade nichts anderes zu tun …«, wiederholte Kuno die Worte Everards und lächelte

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