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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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respektvoll und neigte sich zum Ohr des Grafen. »Eccard Ribe steht vor Euch, mein Herr.«
    »Ribe! Sehr gut. Ich habe schon auf Euer Kommen gewartet. Bitte, setzt Euch.«
    Auf Geheiß des Fürsten bot man ihm den Platz neben Gerhard II. an, von wo aus man eine gute Sicht über den ganzen Saal hatte. Alle Ritter und Damen schienen heute ausgelassener zu sein als sonst. Sie tranken und aßen und unterhielten sich laut. Nachdem ein Diener die Becher von Eccard und Gerhard II. gefüllt hatte, folgte zunächst das übliche nichtssagende Geplauder über die Anreise und das allgemeine Wohlbefinden.
    Ganz plötzlich aber bekam das Gespräch eine Wende. Graf Gerhard II. sagte zu Eccard: »Ihr habt wirklich Mut bewiesen, Ribe, als Ihr den Keiler vor den Augen meines Vetters mit seiner eigenen Saufeder erstochen habt. Doch noch mehr als Euren Mut schätze ich Eure Loyalität. Mit dieser Tat habt Ihr bewiesen, dass Ihr mir ein treuer Gefolgsmann seid, der sich aus Ergebenheit seinem Herrn gegenüber auch in Gefahr begibt. Schließlich hätte mein Vetter Euch dafür zur Rechenschaft ziehen können.«
    »Habt Dank für Eure Worte, mein Fürst. Doch scheint es mir, dass diese meine Tat längst überfällig gewesen ist, denn offenbar habt Ihr vorher an meiner Loyalität gezweifelt?«
    »Ich pflege grundsätzlich anzuzweifeln, was nicht bewiesen ist«, ließ der Blinde verlauten.
    »Umso mehr freut es mich, dass ich meine Verbundenheit Euch gegenüber nun unter Beweis stellen konnte.« Eccard sah in das Gesicht Gerhards II. und hoffte, dass seine Worte glaubhaft klangen. Er spürte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten. Es war jenes Gefühl, das ihn immer überkam, wenn der Schauenburger tat, als hätte er nichts im Sinn, obwohl er eigentlich einen Plan verfolgte.
    »Sorgt Euch nicht, Ribe, ich gebe Euch weiterhin Gelegenheit dazu, Euren Gemeinsinn zu beweisen.«
    »Wie meint Ihr das? Ich verstehe nicht ganz …«, gestand Eccard.
    »Nun, dann werde ich deutlicher. Seit geraumer Zeit fällt mir auf, dass sich mein Vetter Johann stets mit diesem Walther von Sandstedt umgibt, der ja Euer Schwager ist, wie mir angetragen wurde.«
    »Das ist richtig.«
    »Gut, gebt mir Auskunft über ihn.«
    Eccard war einen Moment lang zu überrascht, um klar zu antworten.
    »Na los, berichtet mir.«
    »Ich … ich weiß nicht recht, was es da zu berichten gibt. Was genau wollt Ihr wissen? Mein Schwager ist ein eher unbedeutender Mann.«
    »Ein unbedeutender Mann, der offensichtlich das Interesse eines bedeutenden Mannes geweckt hat«, ergänzte Gerhard II. schroff. »Reicht Eure Loyalität etwa doch nicht bis hierhin?«
    Eccard begann zu schwitzen. In was für eine missliche Lage war er da geraten? Natürlich hatte er damit gerechnet, dass Gerhard II. ihm nun mehr vertrauen würde. Niemals jedoch hatte er angenommen, dass dieses Vertrauen Walther in Gefahr bringen würde! Dennoch blieb ihm gerade keine Wahl als zu beteuern: »Natürlich diene ich Euch uneingeschränkt.«
    Der Graf schien besänftigt. »Nun gut, ich will Euch glauben. Erzählt mir jetzt, wie weit reicht das Vertrauen, das Johann II. in diesen Walther hat? Auf der letzten St.-Veitsmarkts-Sitzung bezeichnete mein Vetter ihn als seinen Spielmann, doch ihr Verhältnis schien mir bei der Jagd sehr viel vertrauter.«
    »Mein Fürst, tatsächlich war und ist mein Schwager bloß der Spielmann des Grafen, und nicht mehr«, begann Eccard vorsichtig und gab gleichzeitig jeden Widerstand auf. Er wusste, ihm blieb nur die Wahrheit zu sagen, und dennoch zu versuchen, nichts zu verraten, was Walther schaden konnte. Das wäre natürlich viel leichter, wenn er verstehen würde, worauf der Graf hinauswollte, doch das erschloss sich ihm nicht. »Aber durch den Umstand, dass zu Zeiten von Graf Johanns Augenverletzung ihm der Gesang meines Schwagers solche Linderung verschafft hat, ist Walther von Sandstedt in dessen Gunst weiter aufgestiegen.«
    »Wie wirkt sich das aus? Hat er Besitztümer bekommen? Geld? Grund und Boden? Irgendwas?«
    »Nun … ein Pferd.«
    »Ein Pferd? Wofür braucht ein Spielmann ein Pferd?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Hat sich denn nichts an seiner Stellung verändert?«
    »Nein, nichts.«
    »Dann ist er tatsächlich bloß ein unwichtiger, singender Kerl, nur mit einem Pferd? Ohne jeden Titel, ohne jeden Einfluss. Bedeutungslos geradezu?«
    »Wenn Ihr so wollt, ja!«
    Gerhard der Blinde fing an zu lachen. Laut und aus voller Kehle. »Mein Vetter war schon immer ein Schwachkopf.

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