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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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verärgert.
    »Ja, das mache ich! Ein wenig jedenfalls. Schließlich bist du schuld an unserer Lage. Aber ich verspreche dir, in Sandstedt hört mein Spott auf. So lange wirst du ihn noch ertragen müssen! Das ist meine Rache.«
    »Rache zu nehmen ist aber nicht sonderlich christlich.«
    »Stehlen ebenso wenig.«
    Eine bitterkalte Nacht und einen verschneiten Morgen später, wurde es auf den Straßen immer voller. Sie kamen der Stadt spürbar näher.
    Kuno war an diesem Tage so schlecht gelaunt, dass kein einziges Wort über seine Lippen kam. Selbst auf Fragen des Geistlichen antwortete er bloß noch mit einem Brummen. Zu seinem Verdruss ging ihm nämlich mehr und mehr auf, dass er selbst als gewöhnlicher Taschendieb in Köln niemals hatte auf feuchtem Untergrund liegen müssen. Demnach konnte man sagen, dass sich seine Lage derzeit eher verschlechterte denn verbesserte. Heute jedoch, nahm er sich fest vor, würde er nicht nur trocken schlafen, nein, heute würde er sein Haupt dazu auch noch weich betten! Alles was er dazu brauchte, waren seine Künste als Dieb. Bei der nächsten Gelegenheit würde er zuschlagen, und diese Gelegenheit bot sich ihm bald.
    Zusammen mit zig anderen Händlern, Mägden, Pilgern, Bauern, Bettlern und Reisenden durchschritten sie das Stadttor Münsters. Wenigstens dieses vorläufige Ziel war geschafft.
    »Ich brauche eine Rast«, stöhnte Everard und drückte sich die Hand ins Kreuz. »Die nächste Kirche ist mein Ziel. Gott möge mir vergeben, dass ich sie mehr deshalb ansteuere, um mich auf ihre Bänke setzen zu können, denn um zu beten.«
    Schnell war das erste Gotteshaus gefunden. Everard hastete auf den Eingang zu.
    »Ich werde mich später zu Euch gesellen«, sprach Kuno und blieb stehen.
    »Wo willst du Narr denn hin?«
    »Kümmert Euch nicht darum, ich komme Euch holen. Bleibt Ihr nur hier in dieser Kirche.«
    Das ließ sich der Geistliche nicht zweimal sagen. Er hatte keine Lust zu debattieren. Sollte der Bursche sich doch weiter die Glieder abfrieren. Wahrscheinlich wollte der Heißsporn nach Weibern Ausschau halten – ihm sollte es recht sein.
    Kuno schritt von dannen. Die Weiber Münsters hätten ihn gerade nicht weniger interessieren können. Er wollte in einer Herberge nächtigen und etwas Warmes zu essen bekommen, das war sein Ziel, und deshalb schärfte er alle seine Sinne auf entsprechende Beute.
    Schnell war er an einen Ort dichten Getümmels gekommen, wohl der Marktplatz der Stadt. Hier hatte er sich in eine kleine Nische gestellt. Dann fing er an zu beobachten. Sein Körper war dabei absolut regungslos, mit Ausnahme seiner Augen. Geübt tastete sein Blick über die Leiber. Er erkannte sofort, bei wem es etwas zu holen gab und wer bloß so tat. Eigentlich hätte er sich gern wieder an einem Pilger vergriffen, waren die doch so wunderbar leichte Opfer, doch plötzlich erspähte sein Auge etwas anderes. Es war ein schmaler, blonder Mann mit hellen Wimpern und Augenbrauen. Seiner Kleidung nach hätte man denken können, er wäre vielleicht ein Lehrling oder Knecht, doch Kuno wusste es besser: Er war ein Beutelschneider, und er war nicht allein! Seine Augen entdeckten einen zweiten Mann. Obwohl er ein ganzes Stück weiter weg stand, gehörte er eindeutig zu dem Blonden. Groß gewachsen, mit breiten Schultern, haftete ihm die gleiche allzu bemüht unbeteiligte Miene eines Diebes an. Und da, noch ein Dritter. Ein schlaksiger Kerl, und offenbar ein Anfänger, denn er wirkte angespannt. Kuno lächelte schief. Diese Männer waren noch viel besser als jeder Pilger! Mit Sicherheit hatten sie bereits reiche Beute gemacht, und das Letzte, womit sie rechneten, war ein weiterer Dieb, der sie um ihr Diebesgut erleichterte. Kunos Entscheidung, sich den Blonden vorzunehmen, war schnell gefallen. Der Große konnte ihm gefährlich werden, und der Schlaks trug wahrscheinlich kaum Beute bei sich. Doch der Blonde sah gewitzt aus, und er war mindestens einen Kopf kleiner als Kuno.
    Unauffällig näherte er sich seinem Opfer. Er war die Ruhe selbst, als er wie zufällig an ihm vorbeiging und in jenes Versteck zwischen den Mantelfalten griff, welches er als Dieb auch gern benutzte. Seine Finger schlossen sich um die Beute und zogen sie unbemerkt heraus. Schon war er weitergegangen und versteckte die lederne Geldkatze in seinem Ärmel. Ohne jedes Hasten schlenderte er davon. Innerlich jedoch erfasste ihn sofort die ihm wohlbekannte Aufregung, denn die Geldkatze wog schwer. Fast schon berauscht

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