Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
beschlich, wandelte sich schnell in eine böse Vorahnung. Bald war diese kaum mehr abzustreiten und nach weiteren zwei langen, sehr anstrengenden Tagen der Verfolgung, sollte sie sich als Gewissheit herausstellen: Kurz vor Hamburg steuerte Eccard plötzlich auf ein Gehöft zu – das Gehöft von Adolf V. – und vor dessen Toren nahm ihn ausgerechnet Gräfin Margarete in Empfang! Marquardus hatte eine ganze Weile lang auf der Lauer gelegen. So lang, bis auch noch der Propst hinzukam, und so lang, bis sie alle wieder fortritten. Nun hatte er wahrlich genug gesehen. Dies war ein eindeutiger Beweis für Eccards Untreue, und Marquardus war nicht mehr weit davon entfernt, seinem Herrn genau dies mitzuteilen.
Als er die Burg Plön endlich vor sich sah, ergriff ihn Erleichterung, aber auch Scham! Niemals zuvor hatte er sich in dem ihm so vertrauten Lande verlaufen, doch der Schnee und die frühe Dunkelheit hatten ihn verwirrt. Nun, nach ganzen vier Tagen, war der Rückweg geschafft.
Langsam ritt er auf den Hof seines Herrn. Seine Glieder waren mittlerweile so steifgefroren, dass er meinte, sie müssten entzweibrechen, wenn er jetzt von seinem Pferd sprang. Drum hielt er einen Stallburschen mit harschen Worten an: »He du, bring mir sofort einen Tritt.«
Der Junge blickte den Ritter kurz von Kopf bis Fuß an, dann flitzte er gleich davon. Es war nicht zu übersehen, weshalb der halb Erfrorene nach einem Tritt verlangte.
Als der Junge wieder zurück war, glitt Marquardus vorsichtig vom Pferd. Stiche durchfuhren seine vor Kälte schmerzenden Füße, als diese das Holz berührten. Dann übergab er die Zügel dem Jungen und sagte: »Reib ihn gut mit Stroh ab, damit er warm wird, hörst du? Auch die Beine. Und gib ihm ordentlich zu fressen.«
»Wie Ihr wünscht, Ritter Marquardus. Ich werde mich gut um Euren Hengst kümmern.«
Der Ritter bedachte sein teures Ross mit einem letzten prüfenden Blick. Als er sich sicher war, dass es wohl versorgt wurde, begab er sich mit steifen Gliedern in die Burg. Die eigentlich klirrendkalten Gänge kamen ihm heute wohlig warm vor und brachten seine Hände und Füße unangenehm zum Prickeln. Seine eingefrorene Nase begann zu kitzeln, und er nieste. Einmal, zweimal, dreimal. Irgendwann bekam er kaum noch Luft vor lauter Schniefen und Prusten. »Dieser verdammte Schnee …!«
Gerhard II. hörte Marquardus, bevor ihm ein Diener von dessen Ankunft berichten konnte. »Ist das etwa Ritter Marquardus, der so unchristlich vor sich hin flucht?«
»Ganz recht, mein Herr«, antwortete ein junger Bursche mit einem Krug in der Hand.
Wieder ertönte das dröhnende Niesen. Marquardus näherte sich lautstark seinem Herrn, wobei er versuchte, einen angemessenen Gruß loszuwerden. Doch darauf schien der Fürst keinen Wert zu legen.
»Kommt mir ja nicht zu nahe! Regen und Schnee kann ich draußen haben«, warnte er und hob abwehrend eine Hand. »Wo, zum Henker, kommt Ihr jetzt her, und warum seid Ihr in so schlechtem Zustand?«
Marquardus musste sich überwinden, die Wahrheit zu sagen. Er war fast sieben Tage fort gewesen; unter normalen Umständen wäre seine Strecke an vier, höchstens fünf Tagen zu schaffen gewesen. »Herr, verzeiht mir. Ich habe des Nachts in Schnee und Eis die Orientierung verloren und bin vom Weg abgekommen.«
Augenblicklich konnte man belustigtes Geflüster im Saal vernehmen. Die Ritter waren gnadenlos schadenfroh, auch wenn sie es nicht so meinten.
Marquardus bedachte seine Kumpanen mit wütenden Blicken, musste aber gleich darauf wieder so oft niesen, dass ihm jede finstere Miene entglitt.
»Weiter … weiter«, forderte Gerhard II. seinen Ritter mit einer fahrigen Handbewegung auf. »Was habt Ihr herausgefunden? Erzählt schon, oder muss ich Euch alles aus der Nase ziehen.« Dann bekam sein ungeduldiges Gesicht etwas Spöttisches. »Gerade in Eurem Zustand würde ich das lieber nicht machen müssen.«
Nun gab es für die Ritter im Saal kein Halten mehr. Ungebremst prusteten sie los und hielten sich vor Lachen die Bäuche. Erst als diese sich wieder beruhigt hatten, begann Marquardus zu erzählen.
»Mein Fürst, ich erbitte Eure Gnade«, eröffnete der Ritter zum Erstaunen aller, fiel auf ein Knie und senkte das Haupt. »Vor meiner Abreise noch habe ich an Euren Worten Zweifel gehabt, doch meine Reise hat ergeben, dass Ihr in Eurer weisen Voraussicht recht behalten solltet.«
»Was meint Ihr damit?«, fragte der Schauenburger nun aufgeregt und stützte sich mit beiden
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