Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
Boden und nach den muffigen Fellen, mit denen die Zelte ausgelegt waren.
»Unglaublich, wie viele Leute gekommen sind. Mir war nicht klar, dass das Land so viele Ritter hat. Die meisten der Wappen habe ich noch nie in meinem Leben gesehen.«
Walther lachte über Runas kindliche Worte. »Man merkt, dass du noch nicht lange auf einer Burg lebst, Liebste. Du klingst wie eine Bäuerin.«
Gerade wollte Runa eine entrüstete Antwort geben, da unterbrach sie Walther mit einem lauten Ausruf.
»Da!«
Runa schaute in die Richtung, in die er zeigte. »Ich sehe nichts. Hast du sein Wappen gesehen?«
»Nein«, stieß Walther mit erschrockenem Blick aus. »Ich sehe unsere Tochter!«
»Was sagst du? Wo?«
»Schau zur Wiese, wo die Pferde stehen.«
Runa blickte in die Richtung, in die Walther gewiesen hatte, und sah Freyja sofort. Sie war gerade dabei, unter dem Zaun hindurch zu kriechen, um zu den von ihr so geliebten Pferden zu kommen. »Großer Gott! Walther, schnell!«
In diesem Augenblick war er auch schon losgerannt. Wenig später erreichte er die Sechsjährige und nahm sie hoch. »Freyja, bist du des Wahnsinns? Du kannst doch nicht einfach zu den Schlachtrössern auf die Wiese gehen!«
Mittlerweile war auch Runa bei den beiden angelangt. Überglücklich, noch rechtzeitig gekommen zu sein, schloss sie ihr Kind in die Arme. Nicht auszudenken, was alles hätte passieren können! Das Mädchen war einfach nicht mehr zu halten, wann immer es Pferde sah. »Wo ist deine Kinderfrau?«
Freyja senkte den Blick. »Ich bin fortgelaufen.«
»Schon wieder? Kannst du nicht mal einen Tag lang fügsam sein?«, tadelte Runa das Kind und hob den Zeigefinger. »Was wolltest du denn bloß auf der Wiese?«
»Ich wollte zu Kylion.«
Runa und Walther schauten gleichzeitig zu den Pferden und sahen weit hinten, in einem extra abgetrennten Stück Wiese, den auffällig gezeichneten Hengst Eccards.
Gegen seinen Willen musste Walther lachen. »Wir hätten vielleicht gleich unseren Pferde-Spürhund mitnehmen sollen, um Eccard zu finden.«
»Das ist nicht witzig …«, gab Runa halbherzig zurück, musste aber selbst lachen.
»Wo sein Hengst ist, kann dein Schwager ja nicht weit sein. Komm, wir suchen weiter.« Walther hob die überrascht quietschende Freyja mit einer schnellen Bewegung auf seine Schultern. Dann gingen sie in Richtung des Apfelschimmels. Nur wenige Mannslängen von dessen Auslauf entfernt, stand des Ritters Zelt.
Eccard saß in dem weit geöffneten Eingang und wischte bedächtig mit einem Tuch über sein glänzendes Schwert. Als er seine Freunde sah, erhob er sich lächelnd.
»Einen weiter entfernten Platz hast du wohl nicht gefunden, was?«, scherzte Walther und ergriff die Schulter Eccards, bevor sie sich umarmten.
»Wenn mir jemand gesagt hätte, dass sich hier das gesamte Land trifft, wäre ich schon eine Woche früher gekommen.«
In diesem Moment trat Margareta aus dem Geteld. Ihr feuerrotes Haar neuerdings unter einer Haube versteckt, sah sie ungewohnt herangereift aus.
»Margareta! Ich staune. Du wirst von Mal zu Mal schöner«, ließ Walther verlauten.
Runa stürmte auf sie zu. »Du bist mitgekommen? Das wusste ich ja gar nicht …!«
»Machst du Scherze, Schwester?«, fragte Margareta zwinkernd. »Ich bin nun eine Rittersgemahlin, da lasse ich mir doch ein Turnier nicht entgehen.«
»Warum hast du nichts gesagt?«
»Ich wollte dich überraschen.«
»Das ist dir gelungen!«
Die Halbschwestern umarmten sich so fest und innig, als hätten sie sich ewig nicht gesehen. Dabei war die Hochzeit von Eccard und Margareta erst sechs Wochen her.
Jetzt machte sich Freyja wieder bemerkbar und streckte die Arme nach ihrer Tante aus, die das Mädchen sogleich entgegennahm und herzte.
»Sie ist der Kinderfrau wieder einmal fortgerannt«, erklärte Runa mit einem tadelnden Blick in Freyjas Richtung. »Sobald sie Pferde sieht, ist sie nicht mehr zu halten. Von wem sie das hat, weiß ich nicht. Auf keinen Fall von mir.«
»Ha, ich verstehe dich. Der Ritt von der Riepenburg hierher kam mir ewig vor. Jeder Knochen tut mir weh, auch wenn mein Zelter schon so bequem ist, wie nur irgend möglich. Ich bin wahrlich nicht die geborene Reiterin.«
Eccard, der die Unterhaltung der Frauen mitbekommen hatte, rief nach seinem Pagen. »Jons!«
Der Junge kam sogleich angelaufen. »Ja, Herr?«
»Geh mit Freyja zu den Pferden. Aber lass sie nicht aus den Augen. Das heißt, wenn die Eltern es erlauben.«
Der Page nickte.
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