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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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der Welt gegeben, der besser zum Spielmann und Minnesänger geeignet war? Nichts erinnerte in diesem Moment an sein früheres Leben, bevor er sich der Dichtkunst, seiner Laute und dem Gesang hingegeben hatte. Mit Leib und Seele, mit Haut und Haar war ihr Gemahl bei dem, was er tat – so sehr, dass er völlig darin versank. Betörend schön klangen seine Worte in ihren Ohren. Oft schon hatte er dieses Lied für sie selbst gesungen.

    Glückes Hort schenkt ein Wort
Und ein Kuss ihm allein.
Wenn ihr Spiel Minne will,
Wird’s schon bald Liebe sein!
Sucht ihr Blick seinen Blick?
Seh’n sich beide fragend an?
Jetzt ist’s klar! Hier wird ja
Minniglichen wohlgetan,
So fängt man’s an!
    Minne Sold wird gezollt
Voll und ganz, wenn ein Mann
Und ein Weib ihren Leib
Sich zum Glück bieten an.
Decke fort! Freudenort
Soll dies Bett für beide sein.
Mehr geschieht, als man sieht,
Ein vielhitzeroter Mund
Wird minnewund…
    … und dann gesund!
    Nachdem das letzte Wort und der letzte Ton verklungen waren, klatschte der Fürst laut in die Hände. Erst dann taten es ihm die anderen Männer und Frauen gleich, denn erst jetzt war klar, dass die Darbietung dem Herrscher gefallen hatte. »Wunderbar, ganz wunderbar!«, lobte er und heizte so die Menge zu noch lauterem Jubel an.
    Walther ließ die Laute sinken und neigte den Kopf in alle Richtungen. Er wollte den Moment genießen – wenigstens kurz. Dieser Applaus war wie das Salz in seinem Essen und die Seide auf seiner Haut. Niemals hätte er glücklicher sein können als in diesem Augenblick. Erst nachdem es wieder ruhiger wurde, ging er langsam zurück. Normalerweise verlangte der Graf immer nach einer Zugabe, doch die Zeit der süßen Gesänge war nun vorbei – gleich sollte das Tjosten beginnen. Die Wiese, auf der er eben noch so lieblich gesungen hatte, würde bald von den handtellergroßen beschlagenen Hufen der Schlachtrösser durchpflügt werden.
    Als Walther das Zelt des Grafenpaares erreichte, stand seine Gemahlin schon neben Margarete von Dänemark. Die Frauen sprachen leise miteinander. Runa sah fröhlich und gelöst aus. Sie hatte ihren Platz gefunden, denn trotz ihrer allzu unterschiedlichen Herkunft waren Gräfin Margarete und sie so etwas wie Freundinnen geworden. Dieser Umstand war wohl zwei Tatsachen geschuldet: Zum einen floss in beiden dänisches Blut, und zum anderen waren beide Frauen fern ihrer Heimat und dementsprechend einsam.
    Walther hatte sich kaum zu ihnen gesellt, da wurden auch schon die Pferde zweier Ritter an die Enden des Kampfplatzes geführt. Sie trugen glänzende Rüstungen und farbige Gewänder, die sie noch prächtiger aussehen ließen, als sie ohnehin schon waren. Die jungen Knappen hatten sichtlich Mühe, die Hengste zu bändigen. Fast schien es, als ob die Pferde wussten, was nun kam, und sie es kaum erwarten konnten, im Galopp aufeinander zuzupreschen. Kräftig stampften sie mit ihren Vorderhufen auf, schüttelten ihre Köpfe, dass die Schilde, die sie schützen sollten, klapperten, und schlugen mit ihren Schweifen. Die Rösser wurden zu einem mächtigen, hölzernen Tritt geführt, wo sie nur unter einiger Anstrengung ihrer Führer stehenblieben. Jetzt erst kamen die Ritter mit steifen Bewegungen hinzu. Sie konnten sich in ihren Rüstungen kaum rühren.
    Walther und Runa erkannten Eccard sofort, obwohl kein Haar von ihm hervorlugte. Seine Erscheinung verriet ihn. Er war um einiges schlanker als sein Gegner, und seine Bewegungen waren wendiger. Auch wenn Eccards Rüstung weniger verziert und edel war, so machte er doch einen imposanteren Eindruck.
    »Er sieht gut aus«, sagte Runa und hakte sich bei Walther unter, um noch dichter bei ihm stehen zu können.
    Walther schaute seine Frau belustigt von der Seite an. »Das allein wird ihm allerdings nichts nutzen, mein Herz.«
    »Das weiß ich, aber ich bin eine Frau. Seinen starken rechten Arm lobend zu besingen, überlasse ich dann dir. Ich erfreue mich derweil einfach an seinem Anblick.«
    In diesem Moment ertönten die Trompeten. Die Reiter begannen, die hölzernen Stiegen zu erklimmen. Nur mit Hilfe einiger Pagen und Knappen schafften sie es überhaupt auf den Rücken ihrer Pferde. Man steckte ihre Füße in die Steigbügel und reichte ihnen die Lanzen. In die andere Hand legte man ihnen die Zügel. Nun endlich waren sie zum Kampf bereit.
    Ein Sprecher sprang über den Zaun auf den Turnierplatz und rannte in die Mitte, damit ihn jeder sehen konnte. Während er sich in alle Richtungen drehte

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