Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
richtete das Mädchen den Blick auf seinen Vater. »Darf ich? Oh bitte, bitte, bitte, Vater!«
»Nun gut, geh nur.«
Gerade wollte die begeisterte Freyja losstürmen, da hielt Runa sie zurück. »Du gehst an der Hand, oder du gehst gar nicht!«
Das Mädchen verstand sofort, dass es keine Wahl hatte, und ergriff die Hand von Jons.
Als die vier allein waren, richtete Walther das Wort an Eccard. »Wann bist du dran, und gegen wen reitest du?«
»Ich reite gleich als Erster, sobald die Buhurt-Kämpfe vorbei sind, gegen einen Ritter der Grafen von Stotel. Seinen Namen kenne ich noch nicht.«
»Und was ist der Preis?«
»Das Schwert des anderen.«
Walther verzog das Gesicht und sog scharf die Luft ein. »Sieh zu, dass du gewinnst und den Burschen aus dem Sattel hebst.«
»Ich werde mir Mühe geben. Ansonsten wird mein alter Herr wohl nie wieder ein Wort mit mir sprechen – das Schwert war ein Geschenk von ihm.«
Plötzlich ertönte ohrenbetäubender Jubel von Kampfplatz her. Der Buhurt war zu Ende.
»Ich muss mich bereitmachen«, sagte Eccard. »Es gibt jetzt noch eine Pause, und danach muss ich antreten.«
»Dann wünsche ich dir viel Glück, mein Freund.«
»Auch ich wünsche dir alles Gute«, sagte Runa.
»Habt Dank, liebe Freunde.«
Margareta umarmte ihre Schwester ein letztes Mal und sagte: »Lass Freyja nur hier bei mir. Ich gebe auf sie Acht.«
»Aber, willst du den Tjost denn gar nicht sehen?«, fragte Runa verwundert.
»Auf keinen Fall. Das überstehe ich nicht.«
Eccard lächelte seine Frau an und nahm ihre Hand, um sie zu küssen. »Ich werde dir einen Sieg schenken, liebste Gemahlin. Und dann wirst du sehen, dass deine Bedenken umsonst waren.«
»Das werden wir noch sehen, Ritter Eccard«, ertönte es plötzlich hinter ihnen.
Die Freunde drehten sich um. Vor ihnen stand ein Knappe mit einem überheblichen Gesichtsausdruck.
»Wer bist du?«, fragte Eccard.
Ohne sich vorzustellen, fuhr er fort. »Mein Herr, der Graf von Stotel, lässt ausrichten, dass er selbst gegen Euch kämpfen wird und nicht sein Gefolgsmann Hildebrand von Leenhorst.«
»Und warum ist Euer Herr nicht Manns genug, mir das selbst zu sagen?«
Der Knappe zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich nicht, aber er ist sicher Manns genug, um Euch zu schlagen.«
Eccard war kurzzeitig zu verdutzt ob der frechen Antwort. Dann aber stürmte er auf den Knappen zu und drohte: »Na warte, wenn ich dich in die Finger bekomme …!«
Flink machte der vorlaute Bursche kehrt und verschwand zwischen den Zelten. Zurück blieben vier fragende Gesichter.
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte Walther.
»Ist das überhaupt rechtens?«, gab Runa zu bedenken.
»Tja, das werden wir wohl nicht mehr erfahren – jedenfalls nicht vor dem Kampf«, antwortete Eccard zerknirscht. »Ich werde mich nämlich nicht wie ein Mädchen bei Graf Johann II. beschweren gehen und mir nachsagen lassen, ich sei ein Feigling, der vor einem Grafen kneift.«
Sichtlich aufgewühlt sagte Margareta: »Aber … es können doch nicht einfach so die Regeln geändert werden.«
»Nun, der Graf wird wahrscheinlich kaum um Erlaubnis bitten, Liebste«, erwiderte Eccard mit Blick auf seine besorgte Frau und setzte entschlossen nach: »Mir soll’s recht sein. Ob mir nun ein Bauer, ein Ritter oder ein Graf gegenübersteht, ich trete an. Außerdem kann es meinem Ruf nur guttun, wenn ich einen Grafen schlage.«
»Ja, wenn du ihn schlägst«, gab Walther zu bedenken.
»Herzlichen Dank für dein Vertrauen in meine Kampfkunst.«
»Das meine ich nicht«, wiegelte Walther ab. »Eine solche Tat lässt nicht gerade auf einen ehrenhaften Mann schließen. Aber für diese Überlegungen ist es jetzt wohl zu spät.«
In jenem Moment kam einer von Eccards Gefolgsleuten mit dem gesattelten Kylion um die Ecke. »Soll ich ihn warmreiten, Herr?«
»Ja, mach das. Und schick mir zwei Knappen ins Zelt, die mir beim Anlegen der Rüstung helfen.«
»Sehr wohl, Herr.«
Runa und Walther verabschiedeten sich vorerst von ihrem Freund und ließen Freyja beruhigten Herzens bei Margareta zurück. Niemand war so gut als Aufpasserin geeignet wie sie, denn sie liebte das Mädchen, als wäre es ihre eigene Tochter.
»Die Kinderfrau kann was erleben, wenn ich zur Burg zurückkehre«, murmelte Runa vor sich hin, während sie neben Walther durch den Matsch watete. Gemeinsam schritten sie in Richtung des Grafenpaars.
Die Augen der Umstehenden folgten ihnen, und das aus gutem Grund. Waren die Kieler auch an
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