Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
Mut zu machen.
Alles zusammen genommen führte schließlich dazu, dass das Fohlen aus der Mutterstute hinausglitt.
»Geschafft! Du hast es geschafft, meine Gute!«, lobte Jons die Weiße überschwänglich, die sich trotz ihrer Erschöpfung kurz darauf aufrichtete und den Kopf ihrem Fohlen zuwandte.
Albert hatte die weißliche Haut um das Pferdchen schon zerrissen, sodass die Stute gleich anfangen konnte, es zu säubern.
»Den Rest schafft sie. Komm, wir lassen sie jetzt alleine, Jons.«
»Das müssen wir auch«, sagte der Junge und zeigte auf die Braune, die angefangen hatte, Kreise in ihrer Box zu gehen. Noch bevor Albert und der Junge vor ihre Box getreten waren, knickte die Stute vorne ein und legte sich hin.
»Du bist wirklich unglaublich, Bursche. Woher hast du das nur wieder gewusst? Die Fohlen kommen tatsächlich nahezu gleichzeitig. Gut, dass ich heute Morgen nicht nach Hamburg geritten bin! Mal sehen, ob du auch weiterhin recht behältst, und ob diese Geburt wirklich leichter wird.«
Jons behielt recht. Die Braune gebar ihr Fohlen, ohne dass sie auch nur einen Fuß in die Box setzen mussten. Es war ein kleiner Hengst, genau wie bei der Weißen.
Als beide Fohlen das erste Mal aufstanden und zu trinken begannen, war ihre Aufgabe beendet.
»Komm, lass uns gehen, Junge. Wir sehen morgen wieder nach den Pferden. Sei dir sicher, ich werde Ritter Eccard berichten, was für eine große Hilfe du warst. Ich finde, du hast dir verdient, was du dir so sehr wünschst.«
Jons’ Gesicht strahlte. Er verstand sofort und blickte zum Zelter Margaretas. Es würde sehr wahrscheinlich noch bis zum Frühjahr oder Sommer dauern, bis die Stute ihren Nachwuchs gebar, den Kylion in einem unbeobachteten Moment mit ihr gezeugt hatte. Doch dann würde er ein zweites Pferd besitzen, das er eines Tages selbst zureiten konnte, für den Fall, dass Alyss nicht mehr reitbar war. »Habt Dank, Herr. Ihr wisst nicht, was mir das bedeutet!«
Albert lachte. »O doch, ich glaube, das weiß ich. So pferdeverrückt wie du ist niemand, den ich kenne. Ich warte schon auf den Tag, an dem du anfängst zu wiehern.«
Dicht nebeneinander traten sie aus dem Stall. Es schneite wieder, jedoch nur winzig kleine Flocken.
Albert legte Jons noch einmal die Hand auf die Schulter und wünschte ihm »Nun schlaf gut, Junge.«
»Ihr auch, Truchsess«, erwiderte das Kind und flitzte dann in Richtung Burgturm, während sich Albert fröstelnd zu seinem Haus begab.
Am nächsten Morgen ließ der Schneefall endlich nach, und sogar die Sonne kam heraus, sodass das ganze Land zu glitzern schien. Es war windstill und darum nicht mehr so bitterkalt. Die Bewohner der Riepenburg, die seit Tagen kaum aus dem Inneren der Burg und der Häuser getreten waren, zog es wieder hinaus. Langsam bevölkerten sie das Gelände und gingen ihren Tätigkeiten nach.
Eccard stapfte über den Burghof und über die Brücke auf die freie Fläche zwischen dem ersten und zweiten Ringwall. Der Schnee knirschte unter seinen ledernen Stiefeln. Es war noch früh am Morgen. Von weitem grüßte er den müden Torwächter, dessen Gesichtsausdruck ebenso eisig war wie alles um ihn herum, das die Nacht hatte draußen verbringen müssen. Dann blickte er hinüber zu den schneebedeckten Fachwerkhäusern, zwischen denen bereits die ersten geschäftigen Burgbewohner herumwuselten. Glänzende Tropfen fielen von den Dächern und verrieten, dass der Schnee bereits schmolz.
Der Ritter verzichtete aufs Anklopfen und öffnete stattdessen einfach die Tür des truchsessischen Hauses. Hier fand er seinen Freund, der gerade dabei war, sich den ersten seiner Stiefel anzuziehen, und ihn erstaunt anguckte. »Guten Morgen.«
»Lass uns Schach spielen, wie wir es getan haben, als du noch hier bei mir im Einlager warst. Die Figuren verstauben seither.«
Albert sah in das gelangweilte Gesicht seines Freundes und griff nach dem zweiten Stiefel. »So gern ich auch würde, aber wie du sicher schon weißt, sind diese Nacht zwei Fohlen gekommen, die mich brauchen. Ich habe noch viel zu tun, bevor ich nach Hamburg reite.«
Eccard lehnte sich an den Türrahmen und begann bitter zu lachen. »Höre sich einer diesen Mann an. Du erteilst mir also eine Abfuhr?«
Albert erhob sich und musste schmunzeln. Eccard konnte sich verhalten wie ein Kind, wenn er keine Aufgabe hatte. Er kannte das schon und begegnete diesem Benehmen stets mit Scherz. Übertrieben tief verbeugte er sich und sagte: »Verzeiht, mein Herr.
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