Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
Selbstverständlich bin ich nur da, um Euch allzeit zu belustigen.«
Der Ritter verstand sofort, hob die Augenbrauen und reckte die Nase nach oben. Mit geschwellter Brust und gestrafftem Rücken sprach er: »Recht so, Untertan! Entschuldige dich nur. Schließlich bin ich hier der Herr auf der Burg. Darum gehorche gefälligst, und spiele Schach mit mir. Sofort.«
Die Männer begannen ausgelassen zu lachen und legten sich die Arme um die Schultern.
»Gut, dann komm. Eine Runde lang kann ich mich noch vor meinen Aufgaben drücken. Dann muss ich aber zu den Pferden.«
Gemeinsam gingen sie zum Burgturm und ließen sich vor dem Kamin nieder, wo sie auch immer gesessen hatten, als Albert noch unter Eccards Wacht stand.
Während Eccard den ersten Zug machte, fragte er spöttisch: »Gibt es etwas Unerträglicheres als einen Ritter ohne Aufgabe? Ich bin erst kurze Zeit auf der Burg, und schon jetzt bettle ich um Beschäftigung.«
»Wenn du es so sagst, klingt es in der Tat armselig, doch wir beide wissen, dass es sich anders verhält. Die Worte der Gräfin waren eindeutig. Deine Gegenwart in Hamburg wäre zu auffällig. Du sollst warten, bis sie dir ein Lehen zuteilt. Sieh es lieber als deinen ersten Dienst für deinen neuen Herrn.«
»Ein wahrlich aufregender Dienst, der mir alles abverlangt, was ich in den zahlreichen Jahren als Page und denen als Knappe erlernt habe …«, spottete der Ritter.
»Wahrscheinlich liegt die Schwierigkeit im Gehorsam. Nicht jede Aufgabe ist nach eigenem Gutdünken«, schloss Albert und setzte eine seiner Schachfiguren.
Die Antwort des Jüngeren kam zur Abwechslung mal ohne Spott. »Diese weise Schlussfolgerung werde ich mir merken, Truchsess!«
Albert schaute lächelnd auf. Genau das mochte er an seinem Schwiegersohn, er war nicht geleitet von übertriebenem Stolz. »Die Zeit auf der Burg wäre für dich sicher weitaus angenehmer, wenn meine wundervolle Tochter hier wäre.«
»Du sagst es. Ich wünschte, sie wäre hier. Doch auf dem Kunzenhof ist sie gut untergebracht in ihrem Zustand. Jedenfalls so lange, bis der Schnee gänzlich verschwunden ist – was hoffentlich bald sein wird.«
»Außerdem ist sie sicher dort. Wenn das Kinderbischofsspiel beginnt, wird sie fast den ganzen Dezember lang einen Großteil der Tage in Kirchenhäusern verbringen. Der beste Ort in diesen Zeiten. Das Fest wird sicher …«
In diesem Moment schweiften Eccards Gedanken ab. Sein Blick war zwar unverändert auf das Schachbrett gerichtet, doch vor seinen Augen erschienen Bilder, ausgelöst durch die Worte Alberts. Er war gedanklich in den Gängen der Burg Plön, schwebte gar hindurch bis zur Flügeltür, die in den Saal führte, sah das Gesicht Gerhards II., hörte seine Worte. Es waren jene Worte des letzten Gesprächs zwischen ihm und dem Grafen. Auf Eccards Stirn bildete sich eine steile Falte. Ein Schaudern erfasste ihn. Warum hatte er es nicht früher verstanden? Jetzt lag es so deutlich vor ihm, wie ein geöffnetes Buch.
Mit einem Ruck stand Eccard auf, riss das Schachbrett mit sich, sodass alle Figuren durch die Luft gewirbelt wurden.
Albert schaute ihn erstaunt an. »Grundgütiger …«
Der Ritter richtete seinen Blick nun auf den Truchsess und sagte mit harten Worten: »Keiner wird die Burg verlassen, bis ich wiederkomme. Hast du verstanden?«
»Was meinst du? Wo willst du hin, und wann kommst du zurück? Was ist mit dem Kinderbischofsspiel?«
Eccard war bereits auf dem Weg aus dem Saal. Ohne sich noch einmal umzudrehen, rief er streng: »Das ist ein Befehl, Albert. Ich meine es ernst. Keiner verlässt die Burg!«
Albert blieb verdutzt zurück. Erst nach einer Weile begann er, die Figuren aufzusammeln und schritt nachdenklich zur Fensterluke, die Richtung Tor zeigte. Er sah Eccard auf Kylion davongaloppieren, zusammen mit einigen Männern der Burg. Was hatte das nur zu bedeuten?
Er sollte keine Gelegenheit mehr haben, lange darüber nachzudenken, denn als er den Turm hinter sich ließ und wenig später sein Haus betrat, fand er sich Ragnhild gegenüber, die dabei war, sich die Haube zu binden.
»Albert, da bist du ja. Zeigst du mir die Fohlen?«, fragte sie ihren Gemahl mit fast kindlich leuchtenden Augen.
Er entschied, ihr vorerst nichts von Eccards seltsamem Verhalten zu sagen. Vielleicht kam er bald zurück und alles klärte sich auf. Doch seine innere Unruhe blieb. »Aber ja doch, gerne«, antwortete er stattdessen.
Das Paar ging auf den Stall zu. Arm in Arm und im Gleichschritt,
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