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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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denn nicht? Habe ich nicht schwer genug gesündigt? Ich versichere Euch, meine Gedanken waren noch viel grauenhafter, als sie Euch jetzt vielleicht erscheinen mögen. Es ist mein verdorbenes Wesen, welches meine Sünden klein dastehen lässt, obwohl sie gar fürchterl…«
    »Schweig!«
    Runa hielt inne.
    »Höre mir zu. Deine Gefühle und Gedanken habe ich dir selbst mit noch so vielen Gebeten über die letzten Jahre nicht nehmen können. Drum werde ich dir jetzt keine Gebete mehr auftragen! Du hast den Verlust deiner Tochter niemals verwunden, da du nicht an ihrem Totenbett wachen konntest. Doch du musst lernen, es zu akzeptieren. Dein Kind ist nun bei Gott, unserem Herrn. Er hat es zu sich befohlen. Nicht immer verstehen wir seinen Plan, doch wer sind wir schon, dass wir damit hadern? Nun geh hin in Frieden, mein Kind. Übe dich in Geduld, und eines Tages wirst du wieder glücklich sein.« Der Pfarrvikar schlug ein Kreuz und sprach: »Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.«
    Runa flüsterte ein leises »Amen«, überreichte den Beichtpfennig und verließ die Katharinenkirche. Sie war aufgewühlt und doch fühlte sie tief in sich eine Erleichterung. Denn so sehr sie auch immer nach strenger Buße bettelte, auch sie hatte schon bemerkt, dass keine noch so harte Strafe ihr Leid je gelindert hatte – genauso wenig wie das Beichten an sich. Vielleicht musste sie damit aufhören, um wieder Frieden zu finden. Doch gerade schien es ihr unmöglich, je vergessen zu können.
    Runa ging zurück nach Hause, und als sie die Türe öffnete, sprang Thido ihr in den Arm. »Großer Gott, Thido. Willst du mich umrennen?«, schimpfte die Mutter halbherzig, schloss den Blondschopf aber dennoch fest in ihren Arm. Der Achtjährige lachte bloß und schmiegte sich an Runa. Er war das Ebenbild seines Vaters – niemand hätte je leugnen können, dass er Walthers Sohn war. Sein freches, wissbegieriges Wesen sorgte oft dafür, dass er ohne Unterlass plapperte und die Mägde und seine Eltern damit täglich marterte. Doch war er für alle im Haus ein Grund zur Freude.
    »Mutter, Mutter!«, bestürmte der Junge Runa sofort. »Weißt du was? Vater will mich heute mit zu Oheim Godeke nehmen und zum Hafen!«
    »Wirklich?«
    »Ja, und dann bin ich auch bald ein Mann und kann für Oheim Godeke arbeiten!«
    Runa lachte, jedoch nur, um ihre wahren Gefühle vor dem Kind zu verbergen. »Nun, ich denke, dafür musst du noch ein paar Mal häufiger mit deinem Vater mitgehen. Wo ist er denn?«
    »Oben. Er sagte, ich solle hier auf ihn warten.«
    »Gut, dann gehorche ihm besser«, ermahnte sie ihn, wohl wissend, dass der Junge sich damit schwertat. Sie ging die Stiegen hinauf zu Walther, der sich gerade in der gemeinsamen Schlafkammer ankleidete. Bis die Türe hinter ihr zufiel, hatte sie sich noch im Griff. Aber keinen Augenblick länger.
    »Runa, Liebling. Wo bist du gewesen?«
    »Du willst Thido zu Godeke mitnehmen?«, platzte es gleich aus ihr heraus.
    »Ja, es wird Zeit, dass der Junge erste Kenntnisse meiner Arbeit erlangt, wenn er auch eines Tages in das Geschäft deines Bruders einsteigen soll.«
    »Das … ist zu früh!«
    Walther drehte sich zu Runa und fasste sie sacht bei den Schultern. »Zu früh für wen, Runa? Du kannst das Kind nicht ewig bei dir im Haus behalten.«
    Runa riss sich los. »Er ist noch nicht soweit. Du … du kannst ihn noch nicht mitnehmen!«
    Walther widmete sich wieder seiner Kleidung und erwiderte bloß: »Doch, das kann ich, und das werde ich auch. Ich habe nun lange genug auf deine Wünsche Rücksicht genommen. Wir beide wissen, dass es deine Ängste sind, die dich Thido zurückhalten lassen.«
    »Und wenn schon!«, begehrte Runa auf. »Ist es jetzt völlig gleich, was mit Freyja geschehen ist? Hast du sie etwa schon vergessen?«
    »Rede nicht so einen Unsinn, Weib«, brauste nun auch Walther auf. »Es ist acht Jahre her, dass wir Freyja verloren haben. Acht Jahre! Du musst aufhören, daran festzuhalten. Wir reden fast täglich über sie, und ich sehe doch, wie du tagein tagaus an sie denkst. Das muss aufhören! Wir führen jetzt ein anderes Leben – eines ohne sie.«
    »Pah! Einfach unglaublich, was du da von mir verlangst. Ich soll sie vergessen? Niemals! Wenn du das kannst, bitte. Ich kann es nicht.«
    »Dann wirst du in Zukunft deine Gedanken mit jemand anderem teilen müssen.«
    »Was soll das heißen?«
    »Runa, ich liebe dich, doch so geht es nicht weiter. Ich verbiete dir ab heute,

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