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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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Blick, der so viel sagte wie, lass mich das machen, und beschäme den Jungen nicht mit deiner mütterlichen Fürsorge in Gegenwart der Männer . Sie verstand und blieb sitzen – wenn es ihr auch schwerfiel, ihm nicht den Kragen zurechtzurücken und das Haar zur Seite zu streichen. Zum unzähligen Male hatte sie sich schon gefragt, ob sie diesen Drang jemals würde ablegen können.
    »Wo ist der Ratsnotar?«, fragte Walther plötzlich.
    »Das wollte ich gerade erzählen. Er ist krank und kann seine Bettstatt nicht verlassen. Und nun soll ich die Arbeit heute allein besorgen.«
    Übermütig klatschte Runa in die Hände. »Das ist ja wunderbar, mein Sohn. Ich bin sehr stolz auf dich!«
    Abermals konnte Godeke einen ungebremsten Redeschwall Ru nas mit einem entsprechenden Blick abwenden. »Warten wir erst einmal ab, wie Thymmo sich schlägt. Aber zunächst wird gemeinsam gespeist. Zu Tisch!«, forderte Godeke, worauf sich alle erhoben.
    Sie ließen es sich schmecken, nur Thymmo kam kaum zum Essen, da er von den Frauen mit zig Fragen über seine neue Aufgabe gelöchert wurde. Er beantwortete jede geduldig.
    »Erzähle uns etwas über das geplante Schiffsrecht«, forderte Oda, die ihre und Godekes Tochter Alma auf dem Schoß sitzen hatte. »Was hat es damit auf sich?«
    »Eine gute Idee. Wir wollen es in deinen Worten hören«, ließ Ava verlauten.
    Thymmos Herz begann schneller zu klopfen. Jetzt würde sich zeigen, wie viel er gelernt hatte. »Nun, genau genommen soll das bestehende Stadtrecht erweitert werden – um ein dreizehntes Stück – welches dann das Schiffsrecht sein wird. Jenes Recht wird zu großen Teilen einfach auf der Niederschrift des heute angewandten Gewohnheitsrechts beruhen, das ihr ja schon kennt. Demnach wird es nicht viele Änderungen geben.«
    »Und welchen Inhalt wird das dreizehnte Stück genau haben?«, fragte seine Mutter jetzt.
    »Es geht zum Beispiel um das Verhalten bei Kollisionen mit Schiffen, um das Befrachten und Löschen, um Seewurf, um Bergelohn, um Klagen und so weiter.«
    »Und warum führen du und der Ratsnotar diese Unterhaltungen mit den Kaufleuten?«
    »Die Gespräche mit den Kauf- und Seemännern der Stadt dienen bloß noch mal dem Abgleich und natürlich der Ideenfindung. Möglicherweise gibt es einzelne Punkte, die es neu zu bedenken gibt.« Sein Blick wanderte zu den Männern. »Darum bin ich hier: um Oheim Godeke zu befragen.«
    »Dann lass uns beginnen«, sagte Walther und hob den Becher in seine Richtung, um den letzten Rest Wein in einem Zug zu trinken.
    Das Mahl war beendet. Die Frauen begaben sich ins Handarbeitszimmer, sodass die Männer über die Geschäfte sprechen konnten.
    Thymmo machte seine Sache gut. Ordentlich trug er alle Ideen zusammen und machte sich Anmerkungen, die er später mit Johann Schinkel besprechen wollte. Schnell vergingen die Stunden, die sie zusammensaßen und redeten. Je später es wurde, desto sicherer fühlte er sich bei den Fragen und desto flotter glitt seine Schreibhand über das Papier. Walther und Godeke nahmen ihn ernst und sprachen mit ihm, als wären sie Gleichgestellte – das war vorher noch nie so gewesen. Als Thymmo das Haus seines Oheims verließ, hatte er das gute Gefühl, alles richtig gemacht zu haben. Johann Schinkel würde zufrieden mit ihm sein.
    Am nächsten Tag schlief der Ratsnotar sehr lang. Eigentlich hatte Thymmo ihm gleich vom gestrigen Tag berichten wollen, doch er wollte den Kranken nicht wecken. So hatte er sich mit Beke in die Schreibkammer zurückgezogen, wie sie es immer taten, wenn sie sich allein wähnten.
    »Lies mir diesen lateinischen Text vor, und sage mir hinterher, worum es in dieser Urkunde geht.«
    Beke nickte. Wie immer vor ihren heimlichen Unterrichtsstunden war sie auch heute wieder sehr aufgeregt gewesen – doch mittlerweile war es ihr unmöglich zu sagen, ob ihre Aufregung dem verbotenen Lesen galt oder aber Thymmo! Er hatte tatsächlich Wort gehalten und ihr nun schon viele Lektionen im Lesen erteilt. Schreibübungen hatten sie bislang nur wenige tun können – es mangelte schlicht an Möglichkeiten und Material. Papier war äußerst kostbar, und jeder Diebstahl wäre sofort aufgefallen. Stattdessen waren sie einige Male unbemerkt in eine versteckte Ecke im Garten der Kurie geschlichen und hatten dort mit Stöcken im Sand geschrieben.
    Leseübungen gestalteten sich einfacher, auch wenn das Beschaffen neuer Texte gewisse Gefahren barg. Gerade gestern hatte Thymmo wieder mal etwas zum Lesen

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