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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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Anderenfalls werdet ihr es noch bitter bereuen!« Dann hielt er auf die Mauer zu und warf Tybbe mehr darüber, als alles andere.
    Sibilla hatte der Chorschülerin gerade aufgeholfen und ihre Kleidung abgeklopft, da erschien auch schon Mutter Heseke im Garten.
    Im letzten Moment konnte Bentz noch hinter der Mauer in Deckung gehen.
    »Da bist du ja, du taubes Ding. Kannst du nicht einmal kommen, wenn man dich ruft?«
    Da Tybbe wohl noch der Schreck in den Gliedern saß, antwortete Sibilla für sie. »Bitte verzeiht, Mutter Heseke. Wir waren so in die Arbeit vertieft …«
    »Nun gut … wenn das so ist, will ich mal nicht so sein.«
    Jetzt fand auch Tybbe ihre Stimme wieder. »Was ist es, das Ihr von mir wünscht, Mutter?«
    »Du hast einen Brief bekommen. Aus der Heimat. Wie es aussieht, wirst du das Gelübde nicht ablegen.«
    »Ich verstehe nicht …«
    »Na, du wirst stattdessen heiraten.«
    Bentz hielt die Luft an, ohne dass er es bemerkte. Heiraten sollte sie? Jetzt schon?
    »Was? Nein! Das kann nicht sein.«
    »Warum nicht?«
    »Wen soll ich heiraten?«
    »Das steht offenbar noch nicht fest. Der Brief ist kurz gehalten. Es soll aber schon erste Gespräche gegeben haben. Man kommt dich holen, sobald mit einem passenden Gemahl eine Einigung erzielt wurde.«
    Tybbe war so erschrocken, dass sie kaum einen Laut hervorbrachte, was Heseke ein wenig Vergnügen bereitete.
    »Freue dich, mein Kind. Du bist jung, schön und gebildet. Alles deutet darauf hin, dass du einem Edelmann versprochen wirst.« Dann legte sie ein breites, warmes Lächeln auf und sagte: »Ich werde dafür beten, dass du schon sehr bald bekommst, was dir zusteht.« Mit diesen zweideutigen Worten drehte sie sich um und ließ die Frauen allein.
    Sibilla hatte alle Hände voll damit zu tun, Tybbe zu trösten, die der Gedanke zu gehen sichtlich ängstigte.
    Keine von beiden bemerkte, dass Bentz nicht minder erschrocken war.
    Thymmo schaute zum Fenster der Kurie und ging dann entschlossen darauf zu. »Ihr braucht Licht und frische Luft, Magister.« Dann öffnete er die Läden weit.
    »Was ich brauche, ist Wärme«, beschwerte sich Johann Schinkel und zog sich seine Laken weiter nach oben Richtung Kinn.
    »Draußen ist es warm.«
    »Bloß weil die Sonne scheint, ist es noch lange nicht warm, Junge.«
    »Wie könnt Ihr das wissen, wenn Ihr doch seit zwei Tagen das Bett hütet?« In diesem Moment riss Thymmo das zweite Fenster auf.
    »Herrgott nochmal. Willst du mich umbringen? Ich erfriere!«
    Der Junge lachte kurz auf. »Wir haben Frühling, Ratsnotar. Ich kenne niemanden, der im Frühling in seinem Bett erfroren ist.«
    Johann gab sich geschlagen. »Ich bin zu müde, um mit dir zu debattieren.« Er war nicht wirklich böse mit seinem Sohn, bloß ein wenig verstimmt wegen seiner Bettlägerigkeit. »Sei du nur weiter ungehorsam, dann lasse ich dich demnächst die Erbebücher rückwärts abschreiben.«
    Thymmo ging auf die halbherzige Drohung gar nicht ein, sondern lachte lautlos in sich hinein. Es war immer wieder erstaunlich für ihn, wie aus dem ehrfurchtgebietenden Domherrn ein mürrisches Scheusal wurde, sobald dieser krank war. Aber er nahm es ihm nicht übel, wusste er doch, dass er bald wieder der Alte sein würde. Sein Blick ruhte eine Weile lang auf Johann Schinkel, der mit geschlossenen Augen und bleichem Gesicht auf seiner Bettstatt lag. Trotz zweier Extralaken, die er eben von Beke hatte holen lassen, schien der Ratsnotar noch immer zu frieren.
    In diesem Moment trat die fünfzehnjährige Dienerstochter in die Kammer. Mit sich brachte sie ein Kohlebecken. »So, damit sollte es Euch aber nun wirklich warm genug sein, Herr.« Dann hielt sie inne und schaute zu Thymmo. »Warum sind die Fenster auf?«
    Der Kranke hustete zwei Mal kräftig und erklärte: »Weil Thymmo offensichtlich der Meinung ist, ich friere noch nicht genug …«
    Beke schaute kopfschüttelnd zwischen den Männern hin und her. Dabei ging sie zu den Fenstern, die sie kurzerhand wieder verriegelte. »Die bleiben zu«, bestimmte sie entschlossen. »Ich gehe jetzt die Brühe holen. Sie steht bereits in der Küche.«
    »Vielen Dank, Beke. Wenigstens eine hier im Haus, die sich um mich sorgt.«
    Thymmo blickte dem Mädchen hinterher und hoffte, dass ihre Suppe auch schmeckte, damit dieses Gemeckere ein Ende fand. Kaum war sie hinausgegangen, da kam sie auch schon wieder, die dampfende Schüssel mit beiden Händen und einem Tuch darumgewickelt, fest umfasst.
    Nachdem Johann Schinkel

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