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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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hatte. Er fragte sich, wie oft Dagmarus wohl hier am Fenster stand und die Stadt betrachtete, genau wie er es gerade tat.
    »Auch mich fesselt der Anblick noch von Zeit zu Zeit, Dominus«, ertönte es plötzlich hinter ihm.
    »Dominus Dagmarus, ich habe Euch gar nicht kommen hören.«
    »Das wundert mich nicht. Die weite Sicht kann einen regelrecht gefangen nehmen«, gab der gealterte Ratsherr zu verstehen, während er gemütlichen Schrittes zu Godeke ans Fenster trat. »Findet Ihr es zu kühn, wenn ich behaupte, die schönste Aussicht der ganzen Stadt genießen zu dürfen?«
    »Im Gegenteil. Es wäre töricht, dies nicht zu behaupten«, schmeichelte Godeke ernst gemeint. »Ohne alle Aussichten Hamburgs zu kennen, meine ich doch, dass man Euch als einen überaus glücklichen Mann bezeichnen kann, Nannonis.«
    Christian begann sich übermäßig laut zu räuspern, auf dass Dagmarus Nannonis sich umwandte. »Verzeiht, Dominus. Ich habe Euch gar nicht bemerkt.«
    »Es sei Euch verziehen«, antwortete Christian kühl.
    Einen kurzen Moment drohte die Stimmung zu kippen. Es war nicht zu leugnen, dass der alte Ratsmann nicht viel von Christian hielt. Doch Nannonis lenkte das Gespräch in eine andere Richtung.
    »Ich hatte noch keine Gelegenheit, Euch zu Eurer Ernennung als Mitglied der Electi zu beglückwünschen.«
    »Habt Dank«, antwortete Godeke. »Hoffentlich kann ich dem guten Namen meines Vaters Ehre machen.«
    »Davon bin ich überzeugt! Bei der Gelegenheit, wie geht es ihm, fern des städtischen Geschehens?«
    »Ganz ausgezeichnet. Seine Aufgabe als Truchsess der Riepenburg erfüllt ihn, und das Leben auf dem Land bekommt ihm gut.«
    »Also gibt es keine Hoffnung, dass er je ins Rathaus zurückkehrt? Ihr sollt nämlich wissen, dass er dort vermisst wird.«
    »Eure Worte werden ihn freuen, Nannonis, dennoch gibt es kein Zurück mehr, da bin ich sicher. Auf eine Generation folgt unweigerlich die nächste, ist es nicht so? Auch mir kommt es vor, als wäre mein geschätzter Vater gerade gestern noch im Rat gewesen, heute jedoch bin ich es, der den Namen der Familie von Holdenstede in der Stadt vertritt.«
    Dagmarus machte eine abwehrende Handbewegung und sagte: »Ich wollte Euch nicht zu nahe treten, junger Ratsherr. Selbstverständlich ist es, wie Ihr sagt. Auf eine Generation folgt die nächste. So war es, und so wird es immer sein. Auch bei mir; hege ich doch die Hoffnung, dass Othmar mir eines Tages nachfolgen wird.«
    Die Vertreibung Alberts von Holdenstede war nach wie vor eine sensible Angelegenheit für alle Ratsherrn und Angehörigen. Godeke wusste den Versuch Nannonis’, seine tiefe Verbundenheit mit Albert kundzutun, zwar zu schätzen, doch ließ ihn das eines nicht vergessen: Als man Albert des Rates verwiesen und aus der Stadt ins Einlager gebracht hatte, war kein Mutiger unter den Ratsherren gewesen, der sich für seinen Vater ausgesprochen hatte oder auch nur bereit gewesen wäre, ein Mitglied der Familie zu empfangen.
    Dagmarus lächelte das kurze Schweigen weg und fragte: »Noch Wein?«
    »Nein, vielen Dank. Ich habe noch«, antwortete Godeke und schaute in seinen Becher, den er bislang nicht ein einziges Mal zu seinen Lippen geführt hatte. Er nahm einen großzügigen Schluck, obwohl ihm nicht danach war, doch alles andere wäre unhöflich gewesen – vor allem deshalb, da der Kaufmann dafür bekannt war, ein Weinkenner zu sein, der niemals mit seinen Schätzen geizte. Godeke konnte davon ausgehen, dass er gerade einen edlen Tropfen in seinem Becher hatte, und tatsächlich: Der dunkelrote Trank floss ihm wie Seide über die Zunge. Lobend sagte er: »Wahrhaft vorzüglich, Nannonis. Wie immer verwöhnt Ihr Eure Gäste nur mit dem Besten aus Eurem Weinkeller. Woher kommt er? Der Geschmack ist … fremdartig!«
    Dagmarus begann übers ganze Gesicht zu strahlen. Wenn es um seine Weine ging, gab es für ihn kein Halten mehr. »Es handelt sich um einen Bacharacher vom Rhein. Eigentlich bevorzuge ich den Malvasier, doch von Zeit zu Zeit ist er mir zu süß.«
    »Ich stimme Euch zu. Dieser Bacharacher ist eine gelungene Abwechslung. Euer Wissen ist beeindruckend. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es einen Mann in der Stadt gibt, der es hinsichtlich dieses Gebiets mit Euch aufnehmen kann.«
    Nannonis lächelte sichtlich geschmeichelt, als sein Gegenüber auch schon fortfuhr.
    »Doch will ich Euch nicht mit Dingen langweilen, die Ihr ohnehin schon wisst.« Godeke hoffte, dass dieser Übergang nicht zu schroff

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