Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
schütteln. Das Mädchen wusste, wann ihre Mutter keine Widerrede duldete.
»Ja, Mutter. Natürlich.«
»Geht wieder spielen, Kinder«, befahl die Gräfin den Mädchen, die sogleich davonstoben. Jede Enttäuschung über Kleider und Farbe war sofort wieder vergessen, als sie ihre Holzpferde zur Hand nahmen.
»Sind sie nicht entzückend, die beiden?«, fragte Margarete etwas in sich gekehrt. Dann legte sie ihren Blick auf Runa und sagte: »Ich bin so froh, dass Euer Gemahl zurück auf die Burg gekommen ist, und noch viel glücklicher bin ich darüber, dass er Euch und die Kinder mitgebracht hat. Mechthilds Einsamkeit hat seither ein Ende …« Die nächsten Worte flüsterte sie nur, damit die Damen sie nicht hörten. »Und die meine auch!«
Runa wusste so vieles darauf zu sagen. Sie wollte am liebsten aufspringen, die Gräfin an sich drücken und ihr danken, dass sie so freundlich und warmherzig war, doch in Gegenwart der Hofdamen wusste sie oft nicht, wie viel sie wagen durfte. Darum versuchte sie all diese Gefühle in einen vielsagenden Blick zu tun und lächelte liebevoll. »Habt tausend Dank, Gräfin. Ich genieße jeden Tag hier in Kiel, und noch viel mehr genieße ich die Zeit mit Euch. Seid Euch gewiss, das ist die Wahrheit.«
Margarete schien zu verstehen, wie viel mehr noch auf Runas Lippen lag, und nahm deren Hand in ihre. Sie drückte die Finger ihrer Freundin und lächelte zurück.
Runa erwiderte den Druck der Hand.
Gewiss war es unüblich, dass eine Gräfin sich mit einer Dame so weit unter ihrem Rang abgab – schließlich waren fast alle der Hofdamen von Standes her besser als Freundinnen geeignet – doch diese Frauen langweilten die Gräfin. Ihr höfisches Benehmen und ihr speichelleckendes Verhalten waren ihr regelrecht zuwider. Ebenso war es unüblich, dass eine Gräfin sich in so großem Maße selbst um ihre Kinder kümmerte, doch auch das scherte Margarete nicht. Was sonst hätte sie den ganzen Tag auf der kalten, zugigen und vor allem langweiligen Burg tun sollen?
Plötzlich erhoben sich die beiden Ammen. Sie hatten Thido und Adolf gefüttert, gesäubert und fest in weiche Tücher gewickelt. Nun fielen den kleinen Jungen langsam die Augen zu. Mit sanften Bewegungen übergaben sie die Bündel deren Müttern, die sie freudestrahlend entgegennahmen.
»Thido hatte mal wieder einen gesunden Appetit«, ließ die Amme Runa wissen. »Wenn er so weiter isst, wird er sehr bald groß und kräftig sein.«
»Na, das will ich auch stark hoffen«, ertönte es plötzlich am anderen Ende der Kemenate. Es war Walther, der es endlich geschafft hatte, sich aus der Küche loszureißen, um Runas Wunsch nachzukommen.
Als Freyja ihren Vater sah, sprang sie geschwind auf und rannte ihm entgegen.
Gerade wollte Runa sie ihres unsittlichen Benehmens wegen tadeln, als Margarete ihr die Hand auf den Arm legte.
»Lasst nur, meine Liebe. Heute wollen wir mal nicht so sein.« Dann richtete sie ihr Wort an Walther. »Spielmann, wo sind Eure Manieren? Ihr habt Euer Kommen nicht angekündigt, und nun sehen wir nicht entsprechend zurechtgemacht aus«, maßregelte sie Walther halbherzig im Spaß.
Walther machte eine tiefe Verbeugung vor den Damen und sagte: »Gräfin, verzeiht mir mein ungebührliches Verhalten. Die Tür stand offen, und die Freude darüber, Euch und die hier anwesenden engelsgleichen Damen zu sehen, hat mein Herz über meinen Verstand siegen lassen. Außerdem ist das Bild, welches sich mir hier bietet, der Augen von Königen wert. Eure Bedenken sind also vollkommen umsonst, schönste aller Gräfinnen im Lande.«
Margarete von Dänemark errötete, ohne dass sie es wollte oder etwas dagegen tun konnte. Es war ihr einfach unverständlich, wie dieser Mann es immer wieder schaffte, ihr ein Lächeln zu entlocken. »Nun gut, Euer unangekündigtes Eindringen sei Euch noch einmal verziehen.«
»Darf ich das Vermissen meiner Manieren vielleicht wieder gutmachen, und Euch mit einer Minne beglücken?«
»Ihr dürft, Spielmann. Ich würde gern etwas Langsames hören.«
»Natürlich, Fürstin.«
Während die Gräfin und Runa ihre Säuglinge in den Schlaf wiegten, stimmte Walther eine sanftklingende Minne mit einem Text über die unerfüllte Liebe eines Ritters zu einer blonden Schönheit an. Eigentlich war es ein trauriges Lied, voller Schmerz und Tränen, und doch war es schön.
Runa kannte es noch nicht und fragte sich insgeheim, woher ihr Gemahl nur all diese Zeilen nahm. Hatte er sie gelesen oder sich eben
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