Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
kamen.
»Das übernehme ich!«, ertönte es aus Johanns Mund, der sich galant von seinem Pferd schwang und die Zügel seines Hengstes einem Pagen übergab. Dann ergriff er die Hand seiner Gemahlin, küsste sie und half ihr die Stufen hinunter. »Habt Ihr die Fahrt gut überstanden, Teuerste?«
»Ja, das habe ich. Auch wenn Euer Sohn den ganzen Weg über die Kraft seiner Lungen unter Beweis gestellt und mein Gehör damit zermürbt hat.« Margarete lächelte, während sie das sagte, wusste sie doch, dass es ihren Gemahl freute zu hören, dass der Nachkomme offenbar bei guter Gesundheit war.
»Na dann haben Eure Ohren ja erst recht einen Grund, sich auf den abendlichen Gesang unseres Spielmanns zu freuen.«
Margarete, deren zarte Hand noch immer in der ihres Mannes ruhte, sprach aus, was sie sich auf der Fahrt überlegt hatte. »Wenn es Euch recht ist, mein Gemahl, dann würde ich den Spielmann gern für die Tage bis zur Hinrichtung am Martinitag von seinen Diensten befreien, damit er eine Weile im Kreise seiner Lieben verbringen kann.«
»Nun«, ließ der Graf erstaunt verlauten, »wenn es Euer Wunsch ist, meine Teuerste, und Ihr bereit seid, auf sein Lautenspiel zu verzichten, dann soll es so sein.«
Walther, der noch immer auf seiner Stute saß und sich gerade den Schweiß vom Gesicht wischte, sagte: »Gräfin, habt Dank. Ihr habt ein Herz aus Gold und Edelsteinen.« Dann fügte er mit einem verschmitzten Blick hinzu: »Erlaubt mir bitte, meine Frau sogleich zu Pferd zu unserem Ziel zu bringen, bevor Ihr es Euch doch noch anders überlegt.«
Margarete schaute zu Walther auf, den der Ritt deutlich gezeichnet hatte. Dennoch schien er äußerst glücklich, drum lachte sie hell auf und sagte: »Nur zu, ich dachte zwar, Ihr könntet es nicht erwarten, aus dem Sattel zu kommen, doch da habe ich mich anscheinend geirrt.«
Runa war währenddessen aus dem Wagen gestiegen. Ihre Augen leuchteten. Auch wenn es sonst nicht ihre Art war, zog sie es gerade eindeutig vor, gesehen zu werden. Würdevoll schritt sie auf das Grafenpaar zu. Ihr kostbares, viel zu langes Kleid schleifte über dem Boden hinter ihr her. Es war kein Zufall, dass sie heute ganz besonders edel gekleidet war. »Auch ich danke Euch für Eure Großzügigkeit, Herrin.« Dann schritt sie auf Walther zu und griff nach dem starken Arm, den er ihr darbot.
Unter den bewundernden und höchst erstaunten Blicken der Schaulustigen, schaffte Walther es mit nur einem Schwung, seine Frau seitlich sitzend vor sich zu platzieren.
Runa lächelte ihn an, in dem Wissen, welch ein beeindruckendes Bild sie abgaben. Sie fühlte, wie ein wohliger Schauer ihren Rücken entlanglief, so sehr genoss sie die bewundernden Blicke und ihre verächtlichen Gedanken. Es wäre gelogen gewesen zu behaupten, dass es auch nur annähernd bequem war so zu sitzen, doch das hätte sie sich niemals anmerken lassen.
»Nun reitet schon fort«, verscheuchte die Gräfin die zwei. »Ich schicke den Wagen zur Grimm-Insel.«
Walther und Runa nickten ehrerbietig.
»Wohldann, Spielmann. Ich erwarte Euch nach der Hinrichtung auf dem Kunzenhof.«
»Gehabt Euch wohl«, war seine Antwort, bevor er den Griff um die Taille seiner Frau noch verstärkte.
Runa umfasste ein Büschel der glänzenden Mähne, und im gleichen Augenblick brachte Walther seine Stute in einen leichten Trab.
Sie ritten einfach auf die Menge der Schaulustigen vor dem Kunzenhof zu und machten keine Anstalten anzuhalten, sodass die Bürger und Bürgerinnen nahezu zur Seite springen mussten, um nicht überritten zu werden.
Von oben herab schaute Runa in die Gesichter der Cruses, der Salsnaks und in die weiterer lästerlicher Nachbarn von früher. Dann ließen sie sie einfach hinter sich. All die missgünstigen Gesichter der Weiber, deren Augen gehässig auf ihr Seidenkleid stierten, und all die neidisch geschüttelten Köpfe der Kaufmänner, die sich fragten, wie Walther zu einem solch edlen Pferd gekommen war.
Erst als die braune Stute in eine Gasse einbog, in der keine Menschenseele mehr zu sehen war, zügelte Walther das Pferd und fiel regelrecht in sich zusammen. Stöhnend sagte er: »Großer Gott, lass uns bloß im Schritt zur Grimm-Insel reiten, ansonsten bringen mich meine Seitenstiche und meine wunden Schenkel um.«
Runa blickte ihren Gemahl vielsagend an, der soeben zugegeben hatte, ebenso niederträchtige Gedanken zu haben, wie sie selbst. Obwohl er Schmerzen litt, hatte er sich der Pein ausgesetzt, im Trab durch die Menge
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