Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
zu tänzeln, jedoch auf eine angenehme Art. Glücklich sah er den Grafen an. »Herr, wie kann ich Euch nur danken? Dieses Geschenk ist viel zu großzügig für einen einfachen Mann wie mich.«
»Das entscheide immer noch ich«, entgegnete der Graf augenzwinkernd. »Und nun zeigt mal, ob Ihr diese Frau zu bändigen wisst.« Unvermittelt gab der Fürst seinem Hengst die Sporen und galoppierte an den Anfang seines Gefolges. Im Gegensatz zu Walther war er ein geübter Reiter. Scheinbar mühelos und bloß mit einer Hand, führte er sein edles Pferd über die Wege.
Walther hielt angesichts der großen Kluft zwischen seinen Reitkünsten und denen des Schauenburgers den Atem an. Sein Herz klopfte wild, und das Blut schoss ihm in den Kopf. Er wusste, dass ihm am Ende des Tages jeder Knochen wehtun würde. Dennoch lächelte er, als er seiner Stute die Zügel vorgab und die Waden leicht in ihre Seiten drückte. Mehr war nicht nötig, um sie in einen leichtfüßigen Galopp zu treiben. Problemlos brachte er sich so an die Seite seines Herrn; es fühlte sich beinahe an wie Schweben. Walther hatte vergessen, wie gern er immer geritten war – wenn auch noch niemals auf einem solchen Pferd!
Runa schaute Walther hinterher, bis er nicht mehr zu sehen war. Vor Anspannung hielt sie seine Laute mit beiden Händen fest umschlossen. Es war wohl ihr Blick, der sie verriet.
»Es wird schon nichts passieren. Männer reiten, und Männer fallen. So ist das eben, meine Liebe«, sagte die Gräfin.
»Das ist wahr. Und trotzdem kann ich mich kaum daran erinnern, wann ich ihn das letzte Mal auf einem Pferd gesehen habe. Es ist so … ungewohnt.«
»Ich finde, er hat richtig gut auf der Stute ausgesehen«, erwiderte Margarete mit einem Grinsen. »Fast wie ein Edelmann.«
Nun musste auch Runa grinsen. Ein Spielmann und ein Edelmann waren ungefähr so weit auseinander wie Kiel und Santiago de Compostela.
In diesem Moment ging ein so mächtiger Ruck durch den Wagen, der ein tiefes Schlagloch durchfahren hatte, dass alle vier Frauen einen spitzen Schrei ausstießen. Thido und Adolf erschraken und wurden unsanft aus ihrem Schlaf gerissen. Augenblicklich begannen beide, lauthals zu schreien. Jetzt war es um jede Ruhe geschehen. Bis vor die Tore der Stadt Segeberg, wo Adolf V. dem Tross seines Bruders ein Nachtlager auf seiner Siegesburg gewährte, gelang es keiner der Damen, die Kinder zu beruhigen. Weder Singen, noch Schaukeln oder der Versuch, sie zu füttern, zeigte irgendeine Wirkung.
Am nächsten Tag war es ähnlich schlimm. Sobald einer der Jungen im Begriff war einzuschlafen, begann der andere zu brüllen. So ging es stundenlang. Erst kurz bevor sie das Steintor im Osten Hamburgs durchfuhren, fielen den Kindern endlich gleichzeitig die Augen zu, und es kehrte Stille ein – jedenfalls so viel Stille, wie es innerhalb eines riesigen Trosses möglich war.
Einen Moment lang genoss eine jede den Frieden und schwieg. Die Frauen lauschten dem Klirren der Geschirre, dem Rufen der Männer und schauten hinaus, wo einige Kinder dem Tross lachend und schreiend folgten. Der Wagen bog ein letztes Mal ab und polterte über die Altstädter Fuhlentwiete, die abschüssig durch den aus mehreren Häusern und Buden bestehenden Kunzenhof führte. Beide Seiten der kleinen Straße waren von Hamburger Bürgern gesäumt, die die Grafen und ihr Gefolge begrüßen und sich das prächtige Ereignis nicht entgehen lassen wollten. So viel Prunk und Protz bekam man schließlich nicht alle Tage zu sehen.
Runa schaute in die vielen Gesichter, von denen sie einige kannte, und es wurde ihr kurzzeitig schwer ums Herz. Sie war wieder hier; in Hamburg. Dann aber sah sie etwas, das alles veränderte. Es waren die Blicke der Bürger und Bürgerinnen, die so anders waren, als noch vor ein paar Monaten. Unwillkürlich musste sie an die Worte der Gräfin denken: Fürchtet Euch nicht … Ihr steht nun unter unserem Schutz. Genau so war es und ebenso wollte sie sich nun verhalten. Vorbei war die Zeit des gesenkten Hauptes und des schamvollen Blickes. Bewusst straffte Runa ihren Rücken. Jetzt würde sie den Kaufmannsweibern zeigen, wen sie einst verhöhnt hatten!
Der Pferdewagen kam im Inneren des Hofes, wo die Schaulustigen keinen Zutritt hatten, zum Stehen, und sofort eilte ein Diener herbei, der einen hölzernen Tritt vor den Schlag stellte. Gerade war der Mann im Begriff, der Gräfin aus dem Gefährt zu helfen, als Graf Johann II. und Walther auf ihren Pferden angeritten
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