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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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zunächst die Reihenfolge der zu klärenden Punkte ausführen. Dann erteile ich nacheinander das Wort.«
    Ein letzter Blick auf die Männer um sich ließ ihn wissen, dass niemand sich an seiner Vorgehensweise störte. Darum fuhr er fort.
    »Da Gott dem Herrn die größte Ehre gebührt, halte ich es für selbstverständlich, dass wir mit den Belangen, die die Kirche betreffen, beginnen. Die kürzlich geschehene Schuljungenschlacht, aus der sogar ein Verletzter hervorgegangen ist, zwingt uns zu handeln. Wir hoffen auf eine Entscheidung durch unseren ehrenwerten Erzbischof, der in Hamburg weilt, um uns beizustehen. Danach erteile ich den Landesherren das Wort, auf dass sie uns mitteilen, wie sie in der Sache des Rechts der freien Kore übereingekommen sind, welches der Rat kürzlich durch Botenbriefe erbeten hatte. Zum Schluss wird den Herren des Rates gewährt hervorzubringen, was sie noch zu sagen wünschen.«
    Auch jetzt blickte der Bürgermeister wieder in die Runde, in der Hoffnung, dass sich niemand an der Wahl seiner Worte stieß. Mit Absicht hatte er nämlich offen gelassen, was der Rat später noch zu sagen hatte – schon jetzt wusste er, dass es heikel werden würde. Schnell fuhr er deshalb fort und blickte auf seine Aufzeichnungen.
    »Erzbischof, ich werde nun den Mann aufrufen, der vom Rat dazu auserkoren wurde, Erkundigungen in der Sache des jüngsten Schuljungenkampfes einzuholen.«
    Giselbert von Brunkhorst nickte dem Bürgermeister von seinem gepolsterten Lehnstuhl aus zu. »Bitte, tut das.«
    »Godeke von Holdenstede«, ertönte Aios’ tiefe Stimme auffordernd, worauf der Ratsmann vortrat. Es war ihm nicht anzusehen, dass es ihn aufwühlte, vor den ehrenwerten Herren zu sprechen.
    »Ratsherr, sagt uns, wie geht es Eurem Mündel Ehler Schifkneht, der das besagte Opfer des letzten Schuljungenkampfes war? Welcher Art war seine Verletzung?«
    Godeke wusste nicht, wem der edlen Herren er sich zuwenden sollte, ohne einen der anderen zu beleidigen, darum blickte er einfach weiter in die Augen des Bürgermeisters. »Er zog sich eine offene Wunde am Kopf zu. Doch er befindet sich schon auf dem Wege der Besserung – jedenfalls körperlich!«
    »Was meint Ihr damit, von Holdenstede?«
    »Ich meine, dass ich leider keine Besserung in seinem Verhalten feststellen kann. Noch immer ist sein Zorn auf die Marianer ebenso ungebrochen wie sein übermäßiger Stolz auf die Nikolaiten. Er ist sehr … uneinsichtig, und ich meine den Grund dafür auch zu kennen.«
    »So? Dann sprecht ihn aus!«, forderte Aios mit einer kreisenden Handbewegung.
    »Nun, ich mag etwas sehr streng klingen, doch was ihm meiner Meinung nach fehlt, ist eine Strafe. Natürlich habe ich den Jungen bestraft, doch ich wage zu bezweifeln, dass das ausreicht, um ihn zum Umdenken zu bewegen.«
    Nun war es der Erzbischof, der sich an Godeke wandte. »Was schwebt Euch vor, Ratsherr?«
    »Ich frage mich, ob nicht angebracht wäre, dass der Rat und der Klerus, denen die Schüler unterstellt sind, sich angemessene Bestrafungen für derartige Streitigkeiten erdenken sollten. Vielleicht würde das die Jungen von den Kämpfen abhalten?«
    Diese Aussage brachte die Menge in Bewegung. Dagmarus Nannonis stieß aus: »Recht so! Die Jungen brauchen eine härtere Hand. Und zwar nicht nur von Seiten der Familienoberhäupter. Ich bin dafür, dass sie Rutenhiebe erhalten – und zwar auf die Hände, mit denen sie sich geschlagen haben!«
    »Das erscheint mir doch etwas sehr hart«, warf Hinric von Cosvelde ein. »Einige der Burschen sind schließlich noch sehr jung.«
    »Hart?«, fragte Nannonis erstaunt. »Wartet ab, bis Eure Jungen das Alter meines Othmars erreicht haben. Da kommt man ohne Prügel nicht mehr weit. Ich habe meinem Sohn eine gehörige Tracht verpasst, nach dem letzten Kampf.«
    »Mit Verlaub«, sagte Hartwic von Erteneborg, »auch wenn ich es schätze, dass Ihr derlei Verhalten nicht ungesühnt lasst, kann ich mir nicht vorstellen, dass Euer Othmar jetzt von den Schlachten ablässt. Wie ich hörte, ist er sogar der Anführer der Nikolaiten. Ich bin dafür, dass wir eine Strafe aussprechen, die den Burschen ins Mark geht; sie dort trifft, wo es ihnen wehtut. Wir sollten das diesjährige Kinderbischofsspiel streichen! Alle Jungen lieben es und spätestens dann, wenn man es ihnen nimmt, werden sie ihre Taten bitter bereuen.«
    Die Ratsherren begannen sich lautstark zu unterhalten. Einige unter ihnen schienen den Vorschlag tatsächlich in Betracht zu

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