Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
dessen sollte ein kurzer Akt werden. Jede unnötige Ausdehnung hätte die Schmach der Fürsten nur verlängert.
»Adolfus, Gherardus, Johannes, Adolfus et Hinricus, Dei gratia comites Holsacie & in Scowenburg, omnibus presentia visuris constare volumus & notum esse, nos omnes libertates et indulta a diuis imperatoribus, verum et nostris progenitoribus dilectis nobis consulibus ac uniuersitati ciuitatis nostre Hamburgensis factas et donatas, ratas & gratas habentes, presentibus confirmare …«
Mit jedem Wort, das der Geistliche verlas, wurde das Grinsen in den Gesichtern der Ratsherren breiter. Nach und nach wurde ihnen gewährt, was sie schon so lange begehrten: Gesetze anzuordnen und widerrufen zu dürfen, sooft und wann immer es ihnen nützlich zu sein schien, und Verordnungen zum Nutzen und Bedarf der Stadt nach ihrem Belieben veröffentlichen zu dürfen. Außerdem wurde dem Rat gestattet, Rechtssprüche und Urteile durch den Rat selbst und ausschließlich im Rathaus zu fällen, und, falls das von den Grafen anerkannte Ordeelbook kein passendes Recht enthielt, ein neues Recht nach freiem Ermessen zu schaffen.
»Datum per manus notarii nostri, domini Johannis, in Luttekenborg ecclesie rectoris.« Der Kirchenmann ließ das Blatt, an dem bereits alle der gräflichen, wächsernen Siegel mit schmucken Bändern befestigt worden waren, sinken. Es war seinem Blick anzusehen, wie schwer es ihm gefallen war, diese Zeilen zu verlesen.
Dann gab es kein Halten mehr. Alle Ratsherren sprangen von ihren Plätzen auf und gaben sich ihrer unbändigen Freude hin. Hartwig von Erteneborg, Hinric von Cosvelde und Olric Amedas legten sich die Hände auf die Schultern und konnten ein lautes Auflachen nicht mehr unterdrücken. Johann Schinkel und Dagmarus Nannonis, die wegen der Schulstreitigkeiten oft uneins gewesen waren, reichten sich die Hand, und Christian Godonis und Godeke von Holdenstede fielen sich in die Arme. Sie alle beglückwünschten sich und konnten kaum glauben, dass sie Teil dieses denkwürdigen Moments waren.
Was für ein Sieg! Sie hatten es endlich geschafft. Nach so vielen Jahren waren sie frei. Frei, über die Stadt zu entscheiden, und dadurch auch frei von der Macht des gräflichen Vogtes, der bei Verbrechen nun auch vor das Ratsgericht gestellt werden konnte; möglicherweise die größte Errungenschaft. Demnach war es ihnen gleich, was die Grafen dafür im Gegenzug forderten, denn nichts konnte aufwiegen, dass sie sich nun dem mächtigsten aller gräflichen Amtmänner entledigt hatten!
»Ruhe, bitte. Ich bitte um Aufmerksamkeit …!« Der Kirchrektor von Luttekenborg hatte schon einen ganz roten Kopf vom Rufen. Immer wieder versuchte er, die Männer zu übertönen: »Meine Herren! Meine Herren, ich bitte um Ruhe. Ruhe bitte!« Dann verließ ihn die Geduld. »Ruhe, verdammt noch mal!«, schrie er jetzt.
Trotz seiner viel zu barschen Worte bekam er nur langsam, was er verlangte. Dann führte er die Forderungen der Grafen aus, diesmal frei und ohne sie abzulesen. »Die Grafen Adolf V., Gerhard II., Johann II., Adolf VI. und Heinrich I., von Gottes Gnaden Grafen von Holstein und in Schauenburg, erhalten im Gegenzug zu diesen Privilegien die Hälfte aller bisher allein der Stadt Hamburg zustehenden Strafgelder aus Vergehen gegen die Markt- und Münzgerechtigkeit sowie gegen den Stadtfrieden zugesprochen.«
Mit einem breiten Grinsen ging der Bürgermeister auf den Kirchenmann zu und hieb ihm die Hand auf die Schulter. Diese Geste war so dermaßen ungebührlich, dass der Geistliche nichts zu erwidern wusste. »Natürlich, natürlich. Der Rat stimmt allem zu, was gefordert wird«, sagte Aios überaus fröhlich. »Und wenn Ihr nichts dagegen habt, würde ich nun gern noch den Herren des Rates die Möglichkeit gewähren, ihre Forderung hervorzubringen.« Ohne abzuwarten, was der Kirchrektor darauf zu sagen hatte, sprach Willekin Aios weiter. »Meine Herren, sprechen wir nun über das letzte Thema dieser Sitzung, bevor es zur Hinrichtung von Johannes vom Berge kommen wird. Ich erteile hiermit Hartwic von Erteneborg das Wort.«
Der genannte Ratsmann trat vor, und alle verstummten. Nur die anderen Herren aus seiner Ecke des Saals konnten erahnen, wie es ihm gerade ergehen musste, denn sie waren die Einzigen, die sein Anliegen kannten. Auch wenn der eben erlebte Erfolg den Ratsmann gestärkt hatte, wusste er, dass das, was er zu fordern gedachte, gewagt genug war, als dass es einen Mann den Kopf kosten konnte – gerade
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