Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
eines, Vater. Wo ist das Ziel Eurer Reise? Ist es Aachen oder vielleicht Würzburg?«
»Nein, mein Junge. Da wirst du wohl etwas weitergehen müssen. Es ist Rom!«
Die fünf Grafen waren schon seit dem Morgengrauen im Saal des Kunzenhofs versammelt. Niemand sollte sie stören, nicht einmal der Rat und auch nicht der Klerus, was zu einigem Unmut unter den Ausgeschlossenen führte.
Doch eigentlich konnten die Domherren und Ratsherren sich nicht beschweren, denn die Schauenburger hatten alles getan, um es den Wartenden so angenehm wie möglich zu machen. Ein jeder saß auf gepolstertem Gestühl, zwischen denen immerzu eifrige Diener umherliefen, um ein paar Leckereien zu reichen und die Becher zu füllen. Auf diese Weise verharrten die Männer allerdings schon einige Stunden, und so langsam verließ auch den Gleichmütigsten die Geduld. Doch die wütenden Stimmen der Grafen ließen die Männer wissen, dass das Schreiben der Ratsherren, welches die Fürsten kürzlich erreicht hatte, und in dem um das Recht der freien Kore gebeten worden war, noch immer für mächtige Unstimmigkeiten sorgte. Nur allmählich wurden die Stimmen ruhiger, was darauf hinwies, dass wohl endlich eine Lösung gefunden war.
»Eine Frechheit, dass man uns hier warten lässt wie Chorschüler, die etwas ausgefressen haben und die ihrer Bestrafung entgegensehen«, schimpfte der Erzbischof Giselbert von Brunkhorst erbost und biss einen Happen von dem dargereichten Käse ab. Seine Wut ließ ihn weder schmecken noch riechen. Zornig kaute er darauf herum und trommelte dabei mit den Fingern auf seiner Lehne.
»Ich gebe Euch recht, Erzbischof. Mir schläft schon der Arsch ein«, sagte Christian Godonis ein wenig zu laut, verschränkte dabei die Arme hinter dem Kopf und legte seine Füße auf einem Tisch ab.
Godeke starrte seinen Freund ungläubig an und schüttelte kaum merklich mit dem Kopf. Woher nahm dieser abgestumpfte Kerl nur immer den Mut, Derartiges zu sagen? »Du bist unmöglich«, flüsterte er Christian zu und stieß dessen Stiefel grob vom Tisch.
Die anderen Herren hatten offenbar nicht die Muße, etwas zu den schon üblichen Frechheiten Godonis ’ zu sagen, und widmeten sich wieder ihren leisen Gesprächen, als sich plötzlich die Flügeltüren zum Saal öffneten. Ein Diener trat heraus und verbeugte sich.
»Die Grafen sind nun bereit, Euch Herren zu empfangen.«
»Na endlich.«
»Das wurde auch Zeit.«
Aus der Gruppe der Rats- und Domherren ertönten gemurmelte Unmutsbekundungen, dennoch erhoben sie sich alle gleichzeitig und betraten den Saal.
Hier waren neben den fünf Schauenburgern nur noch dessen Ritter zugegen. Die Männer waren in zwei Lager gespalten, die drei Söhne Gerhards I. auf der einen Seite und die beiden Söhne Johanns I. auf der anderen. Der Hass zwischen den Vettern war in den letzten Wochen auf ein nicht mehr steigerbares Maß angewachsen. Besonders schlimm war es zwischen Gerhard II. und Johann II., und damit es am Ende des Tages nicht zu einem getöteten Grafen kam, war die Anwesenheit der Ritter unvermeidlich.
Als alle Herren den großen Saal betreten hatten, dessen Wände geschmückt waren mit den Gemälden der Vorfahren der Schauenburger, die auf sie alle herabsahen, als würden sie darüber wachen wollen, dass ihren Erben auch ja kein Unrecht geschah, wurde die Flügeltür geräuschvoll geschlossen. Die Domherren traten ohne Aufforderung in die eine der zwei verbliebenen Ecken, die Ratsherren in die andere. Dann begann die Martinifest-Sitzung.
Der kleine aber dennoch nicht zu übersehende Bürgermeister Willekin Aios nahm den Platz in der Mitte des Saals ein – genau zwischen den Grafen und den eben eingetretenen Dom- und Ratsherren. Er, dem sie alle vertrauten, hatte wie schon so oft auch heute die Führung der Sitzung zugesprochen bekommen, und so war er es auch, der die einleitenden Worte sprach.
»Meine verehrten Landesherren, Domherren und Ratsherren. Habt vielen Dank für den Vorsitz dieser Zusammenkunft. Ich habe dafür gebetet, dass ich mich dieser Aufgabe als würdig erweisen werde.«
Die Männer hingen an Aios’ Lippen. Keiner sagte ein Wort. Die Stimmung war angespannt.
»Die heutige Sitzung ist eine wichtige für Hamburg. Zu viele Belange, die Stadt betreffend, warten schon zu lange darauf, endlich geregelt zu werden. Gott gebe, dass wir in allem eine Lösung finden.«
Jetzt erst nahm Aios ein Papier zur Hand. Davon las er ab, was er sich des Morgens erdacht hatte.
»Ich werde
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