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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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aus voller Kehle. Die Gewissheit darum, was ihm gleich widerfahren würde, brachte ihn fast um den Verstand. Wild warf er seinen Kopf nach links und rechts und bäumte seinen Körper auf. Panisch zog er an den Fesseln, bis seine Gelenke blutig gescheuert waren, doch die Seile waren am hölzernen Boden befestigt worden. Er wusste, sein Schicksal würde sich nun unweigerlich erfüllen, und es gab nichts, das es aufhalten würde. Dennoch verließ eine Flut von Versprechen und flehentlichen Gebeten seinen Mund, über die er selbst keine Kontrolle mehr zu haben schien. »Bitte, ich … ich werde die Stadt für immer verlassen. Ich gehe weit fort … und vermache all meine Habe … den Kirchen. Beim Blute Christi, habt Erbarmen mit mir! Seid barmherzig … mit einem Sünder! Ich bin ein Sünder! Ich will nicht sterben …! Herr, beschütze mich. Sei bei mir, im Angesicht des Todes … ich flehe euch an, lasst mich nicht so von der Welt gehen …!«
    Ungeachtet der angsterfüllten Worte, hievten die Helfer des Scharfrichters ein gewaltiges Richtrad von dem Pferdewagen mit dem Käfig darauf, brachten es zur Richtstätte und zückten blitzende Messer, mit denen sie Johannes vom Berge die Kleider vom Leib schnitten, bis er vollkommen nackt war. Dann legte man dem Verurteilten hölzerne Keile mit der spitzen Kante nach oben unter die festgezurrten Arme und Beine. Dies war nötig, um die Glieder an den richtigen Stellen zu brechen.
    Als alles getan war, schaute der Scharfrichter zu einem der geöffneten Rathausfenster hinüber direkt in Willekin Aios’ Gesicht. Die Vollstreckung konnte beginnen.
    Der Bürgermeister atmete noch einmal so tief ein, dass sein Brustkorb sich deutlich hob und senkte. Dann ließ er seine tiefe Stimme ertönen: »Scharfrichter Vromold, bevor du deines Amtes waltest, lasst uns sehen, ob das Richtrad nicht mehr und nicht weniger als acht Speichen hat.«
    Der Scharfrichter kannte diese Frage natürlich und hob das Wagenrad so hoch er konnte. Es kostete viel Kraft, das schwere Rad zu stemmen und sich gleichzeitig damit um die eigene Achse zu drehen, damit jedermann überprüfen konnte, dass das Richtrad dem entsprach, was der Rat vorschrieb.
    Nachdem dies getan war, fuhr der Bürgermeister fort: »Zerschlagt dem Verurteilten nun zuerst die Beine mit nicht mehr als drei Schlägen, dann zerstoßt ihm seine Arme mit jeweils zwei Schlägen.«
    Vromold nickte und wandte sich seinem bedauernswerten Opfer zu. Er durfte sich nicht davon beirren lassen, dass es schrie und flehte und sich in Todesangst hin und her wand. In diesem Moment zählte nur, dass er die Arbeit, für die er entlohnt würde, gut tat. Drum trat er besonnen neben eines der zuckenden Beine, suchte sich einen sicheren Stand und fixierte den Knochen, den er nun zerschmettern würde. Mit einer kraftvollen Bewegung hob er das Rad weit nach oben und ließ es mit der eisernen Kante auf exakt jene vorgesehene Stelle schnellen.
    Der untere Teil des Beins brach mit Leichtigkeit, jedoch unter einem lauten Krachen, welches nur von dem langgezogenen, gellenden Schmerzensschrei des Opfers übertönt wurde.
    Als der Scharfrichter das Rad wieder anhob und somit die Sicht auf den gebrochenen und scharfkantig herausragenden Knochen freigab, löste er einen Jubel unter den Zuschauenden aus. Doch der Maskierte hörte den Jubel nicht. Er musste nun das Gebein des Schenkels brechen, welches weitaus schwerer war als der untere Knochen. So sammelte er noch einmal all seine Gedanken und heftete den Blick auf das blutbespritzte Fleisch seines Opfers. Wieder holte er weit aus und ließ das Rad mit aller Kraft auf das Bein krachen. Diesmal brach es nicht.
    Der Jubel der Menge verstummte – bloß die Schreie des Gepeinigten schienen dieses Mal noch lauter und qualvoller zu sein als zuvor.
    Der Scharfrichter kam unter seiner Maske ins Schwitzen. Er hatte nur noch einen Schlag für dieses Bein, dann musste der Knochen brechen. Anderenfalls war sein Lohn ernsthaft in Gefahr. So spannte er jeden seiner Muskeln an, hob das Rad diesmal weit über seinen Kopf und traf tatsächlich genau die gleiche Stelle noch einmal. Er hatte Erfolg. Das Bein des Verurteilten knickte augenblicklich ein.
    Der Jubel der Menge war ihm nun wieder gewiss und spornte ihn an. Gemächlich schritt er auf die andere Seite, um sich dem noch unversehrten Bein zu widmen.
    In diesem Moment wandte Runa ihren Kopf zur Seite. Ihr wurde übel. Auch Margareta und Ragnhild schauten schon längst einander an und

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