Das Vermächtnis des Rings
schienen stumme Zwiesprache zu halten. Lodast hielt das Kurzschwert wie einen Zeigestock umklammert, der anklagend auf Vitode zielte. Muthel hatte einen selbstgefälligen Gesichtsausdruck aufgesetzt, als wüsste er die Antwort auf alle Fragen und wartete nur darauf, die anderen in ihre Schranken zu verweisen. Krober, die silberhaarige Sprecherin der Händler und Kaufleute, schob sich soeben energisch an der zierlichen Terosike vorbei, die den Rat der Heiler repräsentierte, und baute sich besitzergreifend vor dem Altar auf.
»Es liegt an dir, den Sturm aufzuhalten«, flüsterte Ladya.
Djofar zuckte zusammen. Als er das Amt des Drachenpriesters angetreten hatte, war er sich der Verantwortung bewusst gewesen, aber er hatte nie damit gerechnet, sie jemals wahrnehmen zu müssen. In der weltlichen Hierarchie der meisten Reiche spielten die Priester, ungeachtet ihres gesellschaftlichen Ansehens, eine untergeordnete Rolle. Das galt auch für den Drachenpriester. Doch sollte sich eine Gottheit auf Erden manifestieren oder der Oberste Drache erscheinen, mussten weltliche Autoritäten vor religiösen zurücktreten. Denn jede irdische Herrschaft bezog ihre Legitimität aus göttlicher Hand.
Und der Oberste Drache war, wenn auch nicht göttlich, doch den Göttern gleichgestellt, denn als die Urgötter die Welten geformt und ihren Kindern geschenkt hatten, noch vor Erschaffung der ersten Menschen, war der Oberste Drache von ihnen zum Hüter allen Lebens auserkoren worden.
Selbst König Gaurok musste sich in religiösen Fragen dem Beschluss seines Drachenpriesters fügen, es sei denn, er wollte die althergebrachte Ordnung der Dinge missachten.
»Was soll ich tun?«, fragte Djofar leise, ohne die Menge vor ihm aus den Augen zu lassen. Ladya war nicht von seiner Seite gewichen, seit der magische Lichtbogen erloschen war und Djofar seinen ältesten Gehilfen mit der Nachricht über das Erscheinen des Drachen zum Königspalast geschickt hatte. Und ihre Anwesenheit wurde von allen anderen wie selbstverständlich akzeptiert. Als wäre sie bereits die rechtmäßige Frau des Drachenpriesters.
»Folge der Weisheit des Herzens«, erwiderte sie ebenso leise. »Erfülle deine Pflicht ohne Zwang. Nutze das Geschenk des Drachen.«
Djofar spürte ihr Lächeln, ohne es zu sehen. Und auf einmal überkam ihn eine große Ruhe. Er erinnerte sich an den Augenblick – die Ewigkeit –, als der Drache ihm mit seinem Atem die Erfahrungen eines unvorstellbar langen Lebens eingehaucht hatte.
»Der Schwarze Drache, von dem Ihr sprecht, ist nicht geschlüpft«, sagte er ruhig, und sofort wandten sich ihm alle Gesichter zu. »Kein Drache ist das Eigentum eines lebenden Wesens, ob Mensch oder Altes Geschöpf. Ihn für sich selbst oder für seinesgleichen zu vereinnahmen, hieße, ihn sich Untertan machen zu wollen. Das kann ich nicht dulden. Dieser Tempel ist allen Drachen geweiht. Wer sie herabwürdigt, um sich selbst zu erhöhen, soll jetzt gehen und den Fuß nie wieder in diese Mauern setzen.«
Er hatte nicht besonders laut oder herrisch gesprochen, aber trotzdem folgte seinen Worten eine beinahe unterwürfige Stille.
Krober, die bereits den Mund geöffnet hatte, schloss ihn wieder und verschluckte, was sie hatte sagen wollen. Vitode ließ die angriffslustig gehobenen Schultern sinken. Ura und Fontinaal beendeten ihr stummes Zwiegespräch. Das aufgeregte Tuscheln der Zuschauer verstummte. Hauptmann Lodast starrte betreten auf das Schwert in seiner Hand und schob es schuldbewusst, wenn auch zögernd, in die Scheide zurück.
König Gaurok erfasste die Situation augenblicklich mit dem Gespür eines wahren Herrschers und Diplomaten. Er trat einen Schritt vor, wobei er seinen Brokatumhang schwungvoll zurückwarf, sodass sich alle Augen auf ihn richteten, und verneigte sich vor Djofar – tief genug, um dem Drachenpriester seinen Respekt zu bezeugen, aber nicht so tief, als dass seine königliche Würde darunter gelitten hätte.
»Was sollen wir tun, Drachenpriester?«, fragte er laut.
Djofar nickte ihm fast unmerklich zu und sah, dass der König die Geste mit einem ebenso unauffälligen Lächeln erwiderte.
»Wir werden die Geburtstempel der Drachen errichten, wie es in den alten Schriften geschrieben steht«, verkündete Djofar mit fester Stimme. »Den roten, den weißen und den goldenen. Ich werde den Baumeistern noch heute Abend die Pläne zeigen. Bis zur Fertigstellung der Tempel bleiben die Eier in meiner Obhut.«
Der König verneigte sich
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