Das Vermächtnis des Rings
Geschenk des Drachen in Form der drei Eier bereits erhalten, und das ist eine Gunst, die nur wenigen Reichen zuteil wird. Es könnte vermessen sein, sich nicht damit zu begnügen und noch mehr zu wollen. Vielleicht ist das die Botschaft des Drachen an uns.«
»Aber Ihr seid Euch nicht sicher, Priester«, stellte Fontinaal fest. »Ich möchte das Ei mit meinen eigenen Augen sehen und mit meinen magischen Kräften fühlen. Wäre es denn nicht eine Beleidigung des Drachen, sein Geschenk abzuweisen?«
»Auch ich möchte das Ei sehen«, schloss sich ihm Ura an. »Wir dürfen nicht zulassen, dass die Magier es allein für sich beanspruchen.« Er ignorierte den giftigen Seitenblick, mit dem der kleine Mann ihn bedachte.
Hauptmann Lodast schlug mit der Faust auf den Brustpanzer seiner Rüstung. »Ich werde für meinen König darauf achten, dass dem Ei nichts zustößt«, verkündete er energisch. »Es steht unter dem Schutz der Garde.«
Einer nach dem anderen bekundeten die Versammelten ihren Wunsch, das Ei zu sehen, und jeder brachte eine andere Begründung vor, die vorgeblich nur das selbstlose Ziel hatte, dem Drachen und seinem vierten Ei den gebührenden Respekt zu erweisen.
»Wie Ihr wollt.« Djofar hatte nichts anderes erwartet. »Bigrael und Rimara, befestigt die Strickleiter und gebt uns Bescheid, sobald wir gefahrlos hinaufsteigen können.«
Die beiden Cherubs ergriffen zwei dünne Seile, breiteten die prächtigen Schwingen aus und schraubten sich elegant in die Höhe. Djofar sah gespannt zu, wie sie auf dem schmalen Sims vor der Höhle landeten und die Strickleiter heraufzuziehen begannen. Nach einer Weile winkte Bigrael und stieß drei schrille, durchdringende Rufe aus, das vereinbarte Zeichen.
»Noch ist es Zeit umzukehren«, sagte Djofar ernst. »Als Drachenpriester des Reiches versichere ich euch, dass wir den Obersten Drachen nicht erzürnen, wenn wir das schwarze Ei in seinem Nest lassen. Aber die Entscheidung müsst Ihr selbst treffen.«
Fontinaal starrte ihn argwöhnisch an. »Würden wir ihn denn erzürnen, wenn wir uns dem schwarzen Ei nähern?«, erkundigte er sich wachsam.
Djofar schüttelte den Kopf. »Er hätte es uns verboten, wenn es seinen Zorn erregen würde. Aber er hätte uns auch dazu aufgefordert, wenn das sein Wunsch gewesen wäre.«
»Dann gehe ich«, knurrte der Magier entschlossen und schickte sich an, die steile Böschung zum Fuß der Klippen hinaufzusteigen, wo die Strickleiter baumelte. Ura folgte ihm eilig, und kurz darauf setzte sich der Rest der Gruppe in Bewegung bis auf König Gaurok, Kanzler Muthel und einem kleinen Gefolge, die auf eilig herbeigeschafften Schemeln am Fuß der Bergwiese saßen.
»Der Oberste Drache muss es so gewollt haben«, flüsterte Ladya Djofar zu, als er einen Moment lang unschlüssig zögerte. Sie lächelte unbekümmert und mädchenhaft. »Komm, lass uns sehen, was geschieht.«
Fontinaal war vor der Strickleiter stehen geblieben, legte den Kopf in den Nacken und starrte unsicher die Felswand hinauf. Plötzlich schien ihn der Mut verlassen zu haben.
»Nach Euch, Drachenpriester«, murmelte er und kaschierte sein Unbehagen hinter einer auffordernden Geste.
Djofar unterdrückte ein Grinsen und begann, die Strickleiter hinaufzuklettern.
»Und Ihr wollt es sicher nicht in Euren Tempel bringen?«, erkundigte sich Hauptmann Lodast zum wiederholten Mal. Sein Atem ging noch immer schwer, als sei er stundenlang gerannt, denn er hatte die Rüstung der Leibgarde für den Aufstieg nicht abgelegt.
»Nein«, erwiderte Djofar geduldig. »In den Schriften steht nichts von einem vierten Ei, und der Drache hat es mit keinem Wort erwähnt. Ich habe meine Pflicht erfüllt. Die drei Eier ruhen sicher im Altarraum des Tempels, und schon morgen werden wir mit dem Bau der drei Geburtstempel beginnen.«
Er stand mit Ladya am Eingang der Höhle. Die anderen hatten sich an die Felswände geschmiegt, beäugten das schwarze Ei ehrfürchtig aus sicherer Entfernung und tuschelten miteinander. Sie bildeten kleine Grüppchen, dort die Zunftmeister der Schmiede, Zimmerer, Gerber, Mauerer und der anderen Handwerksberufe, hier die Vertreter der Bauern, Jäger und Fischer. Terosike hatte sich zu Bunydal und den Vertretern der Künstler gesellt, während Fontinaal, Ura und Krober Hauptmann Lodasts Nähe suchten.
Der Magier hatte die Augen geschlossen, eine Hand in Richtung des Eis ausgestreckt und bewegte langsam die Finger, als würde er es aus der Ferne betasten.
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