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Das Vermächtnis des Rings

Das Vermächtnis des Rings

Titel: Das Vermächtnis des Rings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bauer
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Dabei summte er eine monotone, langsam auf- und abschwellende Melodie, die er nur hin und wieder kurz unterbrach, um ratlos den Kopf zu schütteln. »Nichts«, wisperte er. »Ich spüre gar nichts.«
    Die Höhle war von einem schwachen Geruch erfüllt, den Djofar vorher nicht wahrgenommen hatte. Moschusartig, ein wenig modrig und süßlich. Ladya hatte den Kopf schief gelegt, schnupperte in der Luft und betrachtete das Ei neugierig. Plötzlich verzogen sich ihre Lippen. Sie presste eine Hand auf den Mund, schloss die Augen und stieß merkwürdig erstickte, abgehackte Laute aus. Ihr Schultern zuckten.
    Fontinaal unterbrach seinen monotonen Singsang. Ura runzelte verständnislos die Stirn. Die beiden Männer warfen ihr einen missbilligenden Blick zu, die anderen starrten sie irritiert an. Als sie ihnen den Rücken zuwandte, sah Djofar, dass sie sich in den Handrücken biss und Tränen unter ihren geschlossenen Lidern hervorquollen.
    »Und Ihr erhebt keinen Einwand dagegen, dass wir das Ei in die Stadt bringen?«, hakte Lodast nach. Er und alle Anwesenden, mit Ausnahme von Vitode, waren sich überraschend schnell einig geworden.
    »Wenn es Euer Wunsch ist, steht es Euch frei, das zu tun«, sagte Djofar, verunsichert durch Ladyas seltsames Benehmen. »Ich verbiete es Euch nicht, aber Ihr könnt nicht mit meiner Hilfe rechnen. Und jetzt entschuldigt mich bitte, Hauptmann.«
    Er drehte sich um und legte Ladya vorsichtig einen Arm um die Schultern. »Was hast du?«, flüsterte er.
    »Das… das… Ei«, krächzte sie kaum hörbar, »… das… das… Eil« Sie vergrub ihr Gesicht an seiner Brust und klammerte sich an ihm fest. Ihr Körper bebte, und plötzlich erkannte Djofar, dass sie nicht weinte, sondern krampfhaft versuchte, ein Lachen zu unterdrücken. Er sah über ihre Schulter hinweg auf das Strohnest. Vitode näherte sich gerade vorsichtig dem schwarzen Ei und streckte zaghaft eine Hand aus.
    »Es fühlt sich… etwas klebrig an«, meldete der Zwerg heiser. »Die Schale ist nicht hart, sondern nachgiebig wie die eines Schlangeneis. Und es verströmt einen schwachen Geruch nach… nach…« Offenbar fiel ihm kein passender Vergleich ein.
    Und plötzlich begriff auch Djofar. Er schlang beide Arme um Ladya und drückte sie fest an sich, weil er befürchtete, sonst jeden Moment die Beherrschung zu verlieren.
    Wahrscheinlich war es nur Einbildung, aber er glaubte, ganz leise das dröhnende Gelächter des Drachen von den Felswänden widerhallen zu hören.
     
     
    Ladya und Djofar verfolgten das Geschehen gespannt vom Fuß der Böschung aus, ein Dutzend Schritte vor König Gauroks Gefolge. Der Morgennebel hatte sich aufgelöst, die Sonne schien aus einem wolkenlosen Himmel, aber noch immer herrschte eine seltsame Stille, als hielte die Natur erwartungsvoll den Atem an.
    Der Drachenpriester hatte Lodast, Fontinaal, Ura und den anderen seinen Segen zu ihrem Vorhaben gegeben. Sie hatten ihre Differenzen vorläufig beigelegt und wollten das Ei in die Stadt bringen, um ihm einen eigenen Tempel zu errichten, in dem der Schwarze Drache schlüpfen sollte. Doch Djofar und Ladya wussten, dass all ihre Mühe umsonst war. Mehr als das, ihnen stand eine ernüchternde Entdeckung bevor.
    Ihre Eintracht hätte ohnehin nicht lange gewährt. Bald wäre der Streit, welcher Zunft die besondere Gunst des Drachen gehörte, wer sich zu seinen erwählten Mündeln zählen durfte, mit voller Wucht wieder entbrannt.
    Das schwarze Ei – zu schwer für die grazilen Cherubs, um es sicher durch die Luft zu tragen – war behutsam in eine Decke gewickelt und in ein aus festen Hanfseilen geflochtenes Netz gelegt worden, an dem zwei breite Lederschlaufen befestigt waren. Noldar, der kräftige Sprecher der Schmiedegilde, hatte sich die Schlaufen um die Schultern geschlungen, und kletterte als Letzter quälend langsam die Strickleiter hinab.
    Die versammelte Menge hielt gebannt den Atem an. Das riesige schwarze Ei wog mindestens ebenso viel wie der bullige Schmied, und Noldar bewegte sich bedächtig von Sprosse zu Sprosse, mit der Vorsicht eines Mannes, der einen kostbaren zerbrechlichen Schatz trug.
    Er hatte nicht einmal ein Viertel der Strecke hinter sich gebracht, als sich das Unheil bereits ankündigte.
    Durch das ständige leichte Rucken veränderte sich die Lage des Eis im Netz, sodass sich sein schmales Ende in eine der Maschen bohrte. Das hätte eigentlich nicht weiter schlimm sein dürfen, da die Maschen nicht halb so weit wie der Durchmesser des

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