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Das Vermächtnis des Rings

Das Vermächtnis des Rings

Titel: Das Vermächtnis des Rings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bauer
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Schutzgottheit Runnterums war, einen vielsagenden Blick zu – »als schwarze Kunst bezeichnet. Also könnte das schwarze Ei ein Zeichen…«
    »Nicht so schnell!«, rief der Hohepriester. »Wenn ich mich recht entsinne, hat Eure Zunft immer beansprucht, zu den Mündeln des Weißen Drachen gezählt zu werden, da Eure Kunst…«
    »Schwarz oder Weiß, das sind nur verschiedene Seiten ein und derselben Münze«, unterbrach ihn Fontinaal geistesgegenwärtig. »So wie das Leben und der Tod untrennbar miteinander verwoben wird, so wie das weiße Licht einen schwarzen Schatten…«
    Ein lautes Scheppern ließ ihn mitten im Satz verstummen. Hauptmann Lodast, der Kommandant von König Gauroks Leibgarde, hatte mit der Breitseite des Kurzschwerts gegen seinen Brustpanzer geschlagen. Djofar verzog missbilligend das Gesicht, verzichtete aber auf einen Kommentar. Eigentlich war es ein Sakrileg, einen Tempel bewaffnet zu betreten. Für den Leibgardisten des Königs hatte Djofar eine Ausnahme gemacht, und nun dankte ihm Lodast das Entgegenkommen, indem er das Schwert vor einem Altar blankzog. Jeder andere Priester hätte den Hauptmann auf der Stelle des Tempels verwiesen, aber Djofar wollte die Spannung, die plötzlich in der Luft lag, nicht weiter anheizen.
    »Wenn dem vierten Ei ein Schwarzer Drache entschlüpft, kann es sich nur um den Patron aller Krieger handeln«, verkündete Lodast mit lauter Stimme. »Schwarz ist die Farbe des Todes, und unsere Schwerter…«
    »Unsinn!«, fielen ihm Fontinaal und Ura in seltener Einmütigkeit ins Wort. Sie wechselten einen schnellen Blick. »Haben die Krieger nicht immer betont, der Rote Drache sei allein ihr Patron, weil rot die Farbe des Blutes ist?«, fuhr Ura fort, von Fontinaal mit einem nachdrücklichen Nicken unterstützt. »Woher kommt Euer plötzlicher Sinneswandel?«
    Bevor der Hauptmann antworten konnte, schob sich Vitode, der stämmige Vertreter der Zwerge, durch die Menge, baute sich breitbeinig vor Lodast auf, stemmte die Hände in die Hüften und starrte herausfordernd zu dem fast doppelt so großen Mann empor. »Wie jeder weiß, waren die Drachen den Alten Geschöpfen der Welt schon immer besonders eng verbunden«, dröhnte sein grollender Bass wie die Trommeln in den Dschungeln Gaulanoars. »Und schwarz ist die Farbe der Zwerge, wie die Finsternis in unseren Höhlen und Stollen. Hat der Oberste Drache seine Eier nicht in eine Felshöhle gelegt – und somit in unser Reich? Und hat er das Tor nicht erlöschen lassen, bevor sein Priester das schwarze Ei in den Tempel bringen konnte? Nirgendwo auf der Welt leben mehr Alte Geschöpfe unter den Menschen als hier in Runnterum. Deshalb sage ich, dass der Oberste Drache die Alten Geschöpfe mit einem eigenen Patron ehren will und der Schwarze Drache unter der besonderen Obhut der Zwerge stehen soll.«
    Das Raunen und Tuscheln der Menge wurde lauter. Djofar sah, wie der Hauptmann die Lippen zu einem dünnen Strich zusammenpresste und die Hand fester um den Schwertgriff schloss. Ura und Fontinaal wechselten erneut einen stummen Blick. Die Sorgenfalten auf König Gauroks Stirn wurden tiefer. Er zupfte nervös an seinem Bart und schielte Hilfe suchend zu Djofar hinüber.
    Der junge Drachenpriester konnte die aufkeimende Feindseligkeit unter den Versammelten geradezu körperlich fühlen. Es machte ihn traurig und zornig zugleich, dass der Besuch des Obersten Drachen, der Anlass zu großer Freude und Dankbarkeit hätte sein sollen, zu Missgunst und Eifersüchteleien unter der Bevölkerung führte, die bisher in beispielloser Eintracht und Harmonie gelebt hatte. Runnterum war eine seltene Ehre zuteil geworden, um die es alle anderen Reiche beneiden würden, und diese Ehre durfte nicht durch kleinliche Streitereien beschmutzt werden.
    Kann es sein, dass der Oberste Drache jedes Reich, das er besucht, einer solchen Prüfung unterzieht, bevor er es seiner Gunst für würdig erachtet?, zuckte Djofar plötzlich ein beängstigender Gedanke durch den Kopf. Ist das vielleicht der Grund, weshalb so wenige Reiche unter seinem Patronat stehen – weil sie die Prüfung nicht bestanden haben? Werden seinen Eiern keine Drachen entschlüpfen, wenn wir in seinen Augen versagen? Und würden wir unsere Schande aus Scham nicht vor aller Welt verschweigen, damit niemand von unserem Scheitern erfährt?
    Er sah sich schnell um.
    König Gaurok strich sich über den goldgelockten Bart und bemühte sich, eine würdevolle Haltung zu bewahren. Ura und Fontinaal

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