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Das Vermächtnis des Rings

Das Vermächtnis des Rings

Titel: Das Vermächtnis des Rings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bauer
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ein Kuhfladen die Schmeißfliege. Hier hoffte er, mit seinen Taschenspielertricks jede Menge Münzen zu scheffeln. Vermutlich würde es ihm gelingen.
    Für mich war Asathir etwas ganz Besonderes. Thiam hatte erzählt, dass seine Mauern mehr als fünfzigtausend Menschen bargen, dass eben diese Mauern keine aufgeschütteten Erdwälle, sondern beinahe fünfundzwanzig Fuß hohe und acht Fuß breite Steinwälle waren. Ich träumte nachts von dieser Stadt. Sie musste außergewöhnlich sein. Ich konnte mir allerdings kaum fünfzigtausend Menschen vorstellen, die alle an einem Ort lebten. Ich vermochte bis hundert zu zählen. Alles, was darüber hinausging, sprengte mein Begriffsvermögen. Der Meister hatte mir allerdings schon erste Lektionen erteilt und mir gezeigt, wie man meinen Namen schrieb. Außerdem hatte er begonnen, mich in der Rechenkunst zu unterweisen.
    Thiam kratzte sich seinen imposanten Kinnbart, der schon von ersten grauen Streifen durchsetzt war. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, und die Flügel seiner gewaltigen, spitzen Nase, die ihm ein wenig das Aussehen eines Nagers verliehen, bebten. Das war ein sicheres Zeichen, dass Meister Thiam nachdachte.
    Ich versuchte, seine Gedanken zu erraten, was mir hier und da auch schon gelungen war. Aber heute blieb mir sein Geist verschlossen, und das ärgerte mich ein wenig.
    Plötzlich hellte sich sein Gesicht auf, und Zufriedenheit stellte sich bei Meister Thiam ein.
    »Schnell, Junge. Komm!«, kommandierte er, und eilig setzte er sich in Bewegung. »Eine Karawane«, begann er. »In ihrem Schutz werden wir Asathir sicher erreichen.«
    Er hatte sich wie immer Sorgen um seine Geldkatz gemacht (ich hätte es wissen müssen!). Räuber ließen sich nicht immer von seinen magischen Drohgebärden schrecken. In der Wildnis und abseits der großen Straßen war die Gefahr geringer, denn in der Wildnis gab es kaum Banditen. Je näher man jedoch einer Stadt oder den belebten Handelsstraßen kam, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, auf Männer und Frauen zu stoßen, die das Risiko einer Hinrichtung einzugehen bereit waren und von den Wertsachen anderer lebten, um nicht schuften zu müssen. Oder aber auch auf jene, die geschuftet hatten, bis ihnen das Blut von den Händen lief, und die aus den verschiedensten Gründen gescheitert waren, sodass sie nun der Hunger dazu trieb, einsame Wanderer, Händler oder Männer wie Thiam zu überfallen. Und manchmal kam es vor, wie Thiam schaudernd ausführte, dass die Stadtgarden die Strauchdiebe nicht mit letztem Einsatz verfolgten, solange diese nur die angeblichen Hüter des Gesetzes in angemessener Weise an den Erlösen ihrer Überfälle beteiligten. So fühlte sich Thiam am sichersten in Gegenwart von Leuten, die ihr Eigentum selbst schützten. Wie diese Kaufleute, die Asathir zustrebten und, schon von weitem erkennbar, einige Söldner in ihren Diensten hatten.
    Sie mussten aus dem Osten kommen oder nicht wirklich wohlhabend sein, denn Händler aus dem Westen und Norden nutzten, so sie es sich leisten konnten, die Dienste der Schiffer- und Treidlergilde am Kersin – was, wie gesagt, nicht ganz billig war, doch die Gilde der Flussschiffer hatte sich gegen verschiedene Herren durchgesetzt und ihre Hoheit auf dem Wasserweg gewahrt.
    Wir erreichten die Karawane nach einem anstrengenden Marsch, als diese gerade dabei war, ihr Nachtlager im Schutz der Windschattenseite eines Eichenhains zu errichten. Männer bauten Zelte auf, andere halfen dem Koch am Küchenwagen oder stellten Tische und Bänke für das Abendessen auf. Thiam hatte sich seine schwarze Robe übergeworfen und sah für seine Begriffe sehr magisch aus. Beinahe augenblicklich erregte er die gewünschte Aufmerksamkeit.
    Mit sicherem Blick fand er den Kaufmann, der die Karawane führte, Selprin Umana war sein Name, ein fülliger Mann mit schütterem Haar, kleinen Augen und großen Ohren. Thiam prahlte mit seinen magischen Fähigkeiten, zeigte ein paar seiner Tricks und bot der Karawane seinen Schutz als Zauberer an. Schließlich ›gestattete‹ Thiam es dem Kaufmann, ihn auf ein paar Kupfermünzen Lohn herunterzuhandeln. Laut lamentierte er, dass er sich unter Wert in den Dienst des Kaufmanns stelle, aber letztlich müsse er eines Gelübdes wegen, welches er den Göttern gegeben habe, das Angebot des Kaufmanns akzeptieren – allerdings nur, sofern dieser noch freie Kost und Logis (ich hatte Glück: auch für mich) hinzufügte. Hinzu kam schließlich noch ein Sitzplatz

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