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Das Vermächtnis des Rings

Das Vermächtnis des Rings

Titel: Das Vermächtnis des Rings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bauer
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Verstand, einem Verstand, der ihm im Jahr eine viertel Million Dollar einbrachte und dem er normalerweise an sechs Tagen in der Woche die Verantwortung für die Gelder von ein paar tausend Kleinaktionären anvertraute! Und er ließ sich von einem senilen Einsiedler in einem Karnevalskostüm verunsichern! Und trotzdem war er hierher gekommen, um ein Einhorn zu jagen.
     
     
    Sie übernachteten am Fluss.
    Es war ein schmales, ruhig dahinfließendes Gewässer, dessen Wellen das Licht des Vollmondes zu Millionen glitzernder Spiegelscherben zerbrachen. Das Wasser roch süß und klar und sauber, und es gab rechts und links des Ufers Dutzende von kleinen, windgeschützten Stellen, die für ein Lager geradezu ideal erschienen, besser, als es der geschickteste Landschaftsarchitekt einzurichten vermocht hätte.
    Holm errichtete mit wenigen, geübten Handgriffen das Lager – zwei winzige Zelte neben einem aus Steinen errichteten Feuerkreis –, schöpfte Wasser aus dem Fluss und bereitete aus ihren Vorräten ein einfaches, aber schmackhaftes Mahl. Sie aßen schweigend, obwohl es tausend Fragen gab, die Raskell auf der Zunge lagen. Aber er beherrschte sich und schwieg. Erst als sie fertig gegessen hatten und Holm sich mit beinahe zeremoniellen Bewegungen die erste Zigarette an diesem Tag anzündete, hielt er es nicht mehr aus.
    »Eine Frage, Holm«, sagte er.
    Holm sah auf, sog an seiner Zigarette und starrte an Raskell vorbei auf die dunkle Silhouette des Waldes, der sie wie eine hohe, massige Wand aus körperlich gewordener Schwärze umgab.
    »Ja?«
    »Sie haben mir bis jetzt nicht verraten, welche Art Wild wir jagen werden.«
    Holm nickte.
    Raskell wartete eine Zeit lang vergeblich auf eine Antwort, aber Holm schien nicht die Absicht zu haben, von sich aus zu reden.
    »Warum nicht?«
    Wieder vergingen Sekunden, ehe Holm irgendeine Reaktion zeigte. Er setzte sich auf, schnippte seine Zigarettenasche in die Glut des heruntergebrannten Feuers und sah Raskell beinahe vorwurfsvoll an. »Sie haben bis jetzt nicht danach gefragt«, sagte er. »Warum tun Sie es jetzt?«
    »Warum?«, echote Raskell verwirrt. »Nun… ich… ich denke, ich habe ein Recht dazu.«
    »Weshalb?«, fragte Holm ruhig. »Wegen der zehntausend Dollar, die Sie mir für diese Jagd bezahlen? Sie wussten von vornherein, dass ich keine Garantie gebe. Vielleicht sehen wir das Wild nicht einmal. Aber das wussten Sie doch vorher, oder nicht? Oder hat Ihnen Ihr Freund nicht erzählt, dass ich keine Garantie gebe?«
    Raskell nickte. »Doch.«
    »Aber er hat Ihnen nicht erzählt, was wir, er und ich, gejagt haben, nicht wahr?«
    Wieder nickte Raskell.
    Holm lächelte. »Und trotzdem sind Sie gekommen. Einfach so. Für einen Mann wie Sie sind zehntausend Dollar sicher nicht so viel wie für mich, Mister Raskell. Aber ich bin sicher, es ist immer noch viel Geld. Wenn Sie bereit waren, so viel zu riskieren, ohne überhaupt zu wissen, wofür, verstehe ich nicht, warum Sie jetzt ungeduldig werden. So kurz vor dem Ziel.«
    Raskell rang verlegen mit den Händen, aber Holm sprach bereits weiter, als erwarte er gar keine Antwort.
    »Natürlich ist es wegen diesem Verrückten. Ich wusste, dass es Schwierigkeiten geben würde, schon als ich ihn sah.«
    »Nun, was er erzählt hat…«
    »Dass wir Einhörner jagen?«, Holm lachte. »Er hat auch erzählt, dass er eine Fee fangen will. Mit einem Netz aus gewobenen Lichtstrahlen. Oder haben Sie ihm das auch geglaubt?«
    Raskell schüttelte hastig den Kopf, während er sich innerlich einen Idioten schalt. Er hatte Holm unterschätzt, gewaltig sogar. Und er hatte ihm auch noch selbst die Argumente geliefert, mit denen er ihm den Wind aus den Segeln nehmen konnte.
    »In einem Punkt bin ich der gleichen Meinung wie Harbo«, fuhr Holm fort. »Ein Jäger braucht zwei Dinge – eine gute Waffe und Geduld, mehr als alles andere Geduld. Vielleicht finden wir das Wild schon morgen, vielleicht erst in einer Woche. Ich verspreche, dass Sie auf Ihre Kosten kommen, Raskell. Und ich verspreche, dass dieser Verrückte uns nicht mehr belästigen wird.«
    »Sie kennen ihn also doch«, behauptete Raskell.
    Holm schnippte seine Zigarette im hohen Bogen in den Fluss und sah dem winzigen Glutpunkt nach, bis er in den Wellen erlosch.
    »Kennen«, murmelte er. »Was heißt das, kennen, Raskell? Kennen Sie mich? Oder ich Sie? Ich habe von ihm gehört, das stimmt. Aber kennen? Nein.«
    »Und was haben Sie von ihm gehört?«, bohrte Raskell nach.
    Auf Holms

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