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Das Vermächtnis des Rings

Das Vermächtnis des Rings

Titel: Das Vermächtnis des Rings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bauer
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zurückweisen, dich von deiner Schuld zu befreien? Denn eines kannst du gewiss sein: dass durch deine Hand Menschen und Alben gestorben sind, die sonst noch lebten!«
    »Aber ich handelte unter Zwang!«
    »Das weiß ich. Deshalb lebst du noch. Wir Menschen sind anders als die Alben, wir erliegen leicht den Schlingen des Schillernden. Und doch gibt es Menschen, die sich von ihm nicht haben betören lassen. Willst du allen Ernstes behaupten, du wärest genauso unschuldig wie sie?«
    »Aber ich bin unschuldiger als – «
    »Du trägst Schuld«, sagte Canagan entschieden. »Und nun erhältst du Gelegenheit, sie zu büßen. Um dich geht es hier, um niemand anderen.«
    Mir fehlten die Worte. »Ich… Ihr hättet mir schon früher sagen können, was mich erwartet«, wiegelte ich ihn ab. »Ihr wusstet es die ganze Zeit! Dann hätte ich Zeit zum Nachdenken gehabt!«
    »Denke nach, so lange du es wünschst. Doch vergiss nicht, was man sagt: Ein Mann, der sich nicht binnen Tagesfrist entscheiden kann, wird sich nie wirklich entschieden haben.« Er nickte mir zu. »Komm zurück, wenn du mir eine Antwort geben kannst.«
    Ich verneigte mich und verließ das Zelt. Erst als ich draußen stand, bemerkte ich, dass ich den Kopf gesenkt hielt.
    Ohne dass sich mir jemand aufdrängte, ging ich durchs Lager. In gebührendem Abstand folgten mir Männer; sollten sie mich schützen oder an der Flucht hindern? Wer mir begegnete, wich mir scheu aus: Niemand sah mir in die Augen.
    In Namangua der Goldenen, der Stadt der zwölf Stufentürme, habe ich einmal beobachtet, wie Menschen sich vor einem Propheten betrugen: Sie achteten auf jedes seiner Worte, jede seiner Gebärden, hingen an seinen Lippen – doch sie wichen seiner Berührung aus und vermieden es, ihm in die Augen zu schauen. Genauso fühlte ich mich behandelt. Die Erinnerung an den Süden weckte in mir Sehnsucht… die lichten Olivenhaine, die Sonne auf dem Meer, die fröhlichen Frauen, der süffige Wein. Wenn ich wirklich freiwillig hierher in den Norden gekommen war – aus welchem Grund? Kühl war es hier… hatte es mich je nach finstren Fichtenwäldern, saurem Bier und überheblichen Alben gedrängt? Nach einer Bestimmung, für andere ein Opfer zu leisten – am Ende gar in den Tod zu gehen? Doch war ich bislang immer Söldner gewesen, und die Todesgefahr, die ich einging, lohnte man mir mit klingender Münze – nun sollte ich Seelenfrieden dafür erlangen. Was von beiden wog, nüchtern betrachtet, schwerer? Mit genügend Geld kann man so viel saufen und prassen, dass jede Pein verschwindet – zeitweilig. Beseitigt man die Pein, hat man das Gelage nicht nötig.
    Als ich an den anderen Rand des Heerlagers kam, lagerten dort Flüchtlinge aus den Regionen, in die das Heer des Schillernden eingefallen war. Starr blickten Männer und Frauen, auch die älteren Kinder vor sich hin. In den Gesichtern dieser Menschen hatten Strapazen, durchlittene Entbehrungen und Sorge um die Anverwandten deutliche Spuren hinterlassen. In diesem Moment war ich sehr froh, in frischen Kleidern, nach Bad und Rasur nicht mehr als einer derjenigen zu erkennen zu sein, die sie von ihrem Land und aus ihren Häusern vertrieben hatten. Andererseits, wenn sie wussten, wer ich war, wussten sie auch, was ich getan hatte. Beim Anblick dieses elenden Häufleins überfiel mich tiefe Scham. Wenn ich etwas am Schicksal dieser Menschen ändern konnte, sollte ich es nicht tun?
    Aber dann wäre ich nie wieder mein eigener Herr, sondern würde vermutlich mein Leben ihrer Befreiung opfern. Was stellte ich solche Überlegungen an? Wenn das Schicksal ihnen zugedacht hatte, vertrieben und heimatlos zu sein, wer war ich, dass ich behaupten wollte, ihnen helfen zu können? Was, wenn Canagan sich geirrt hatte? So sehr wünschte er den Geläuterten zu finden, dass er sich freudig auf jeden stürzte, an dem er die Bedingung erfüllt glaubte. Vermutlich war ich gar nicht der, von dem die Prophezeiung sprach. Andererseits hatte ich gerade einen wichtigen Beitrag zum Krieg gegen den Schillernden geleistet, hatte dem Vereinten Heer womöglich den Schlüssel zur Vernichtung seines Feindes geliefert. Sollte mir am Ende doch ein solch erlesenes Schicksal bestimmt sein?
    Wie kam ich überhaupt dazu, dergleichen zu erwägen? Stand ich etwa wieder unter einem Bann? Hatte am Ende der Barde einen Zauber auf mich gelegt? Oder Canagan persönlich?
    Ich wandte mich von den Flüchtlingen ab und zog Eneas Phiole aus der Gürteltasche. Ein letzter

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