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Das Vermächtnis des Rings

Das Vermächtnis des Rings

Titel: Das Vermächtnis des Rings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bauer
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Daher könntest du es sein, dessen Kommen uns prophezeit worden ist.« Er sah mich erwartungsvoll an.
    »Herr?«, fragte ich nach kurzem Zaudern.
    »Also kennst du die Prophezeiung nicht? Nun, es heißt, ein Geläuterter werde kommen und den Grauen Herrscher zurück in den Abyssus drängen, aus dem er hervorgekrochen ist. Seit Jahr und Tag warten wir auf den Geläuterten, aber niemand ist gekommen – bis heute. Enea hat deine Bedeutung sofort erkannt. Dir ist es bestimmt, unser Land zu retten…« Er sah mir in die Augen, und wenn ich ihn auch nur kurz für einen törichten alten Mann gehalten hätte, so hätte dieser Blick mich eines Besseren belehrt. Seine Augen kündeten von Güte und Humor, von Menschenkenntnis und Verstandesschärfe, Eigenschaften, von denen man höchstens die letzte bei einem Magier zu finden gehofft hätte. Gleichzeitig strahlte er große Entschlossenheit aus, eine Zielstrebigkeit, die nur wenig Rücksichten nahm.
    »Drei Jahre ist es nun her, dass das Heer des Schillernden den Alron überschritt und in unser Land einfiel. Viele hat er schon unterjocht, noch mehr sind vor ihm geflohen, darunter alle Alben aus dem Wald von Byr, der direkt am Fluss liegt. Sie sind unsere Bundesgenossen in dem Teil des Heeres, das in diesem Lager liegt. Das Kriegsgeschehen wogt hin und her, doch im Grunde rückt der Schillernde immer weiter vor. Jüngst gelang uns zwar ein größerer Gegenangriff, doch das Land, das wir zurückeroberten, geht uns bald wieder verloren. Um entscheidend zuschlagen zu können, haben wir zu wenige Kämpfer, und nur die Hoffnung auf den Geläuterten der Prophezeiung hält unseren Kampfesmut aufrecht. Der Geläuterte soll uns sagen, was gegen den Schillernden zu tun ist. Du musst also etwas wissen, wodurch wir ihn an einer empfindlichen Stelle treffen können, denn wir dürfen es nicht wagen, ihm Heerbann gegen Heerbann auf offenem Feld gegenüberzutreten. Denke nach, ich bitte dich. Du musst in der Zeit unter seinem Bann etwas beobachtet haben, was uns weiterhilft. Zumindest scheint mir dergleichen im Augenblick der einzige Weg zu sein, die Prophezeiung zu erfüllen.«
    Ich rutschte ungeduldig auf der Stuhlkante hin und her. »Herr, ich habe nur ganz verschwommene Erinnerungen an meine Zeit in diesem Heer. Und woher soll ich wissen, ob selbst das, was mir ins Gedächtnis kommt, eine echte Erinnerung ist oder nur ein Trugbild, das der Schillernde mir eingeflößt hat?«
    »Da hast du wohl Recht. Lass es uns nichtsdestotrotz versuchen: Du glaubtest, du zögest in eine Schlacht, als es zu dem Überfall durch Eneas Hundertschaft kam?«
    »Ja. Sie sagte mir, wir hätten einen Wagen bewacht, doch dieser Wagen sei leer gewesen. Was das sollte…« Da überlief es mich kalt, und mir traten mehr Bilder vor Augen, ohne dass ich sagen konnte, woher sie stammten: aus meinem Gedächtnis oder aus dem Höllenzauber des Schillernden. Dennoch sprudelten mir die Worte aus dem Mund:
    »Ich sehe den Wagen wieder, und Riesen – nein, Trolle begleiten zwei Sklaven, die etwas auf einem Traggestell bringen. Es ist Nacht, und der Wagen steht im Hof des Dämmerturms… Die Sklaven bringen etwas sehr Kostbares in einer reich beschnitzten Schatulle. An der Brüstung des Turms sehe ich eine Gestalt in einem wallenden Mantel. Statt Schatten wabert es in den Falten seines Mantels in allen Regenbogenfarben, auch unter der Kapuze, die von einem Goldreif gehalten wird. Das ist der Schillernde! Er beobachtet, wie die Schatulle auf den Wagen geladen wird, dann winkt er, und wir rücken ab. Ich sehe eine Brücke, lange ziehen wir durch den Wald, und dann über offenes Hügelland, dann kommen wir an einen Stollen…« Ich holte Atem. »Mehr weiß ich nicht. Bei der Rückkehr sind wir vermutlich überfallen worden.«
    Canagan nickte nachdenklich. »Es muss etwas Wichtiges sein, was von dort fortgeschafft worden… Aufgebrochen seid ihr, kurz nachdem unser Vorstoß gelungen war…«
    »Wie kommt es, dass ich mich so plötzlich erinnern kann?«, fragte ich.
    »Nicht jetzt – ich muss überlegen«, brummte der Magier, murmelte sodann aber trotzdem: »Kann mehrere Gründe haben… Die letzten Schatten verschwinden… Vielleicht hat das Bardenlied dir den Verstand geklärt. Kunst taugt dazu, sie öffnet die Augen. Lass mich… nein, halt! Wie groß war die Schatulle?«
    »Ach, nicht groß, nicht viel größer als zwei zusammengelegte Hände.« Und ich zeigte es ihm mit den Fingern.
    »So klein, und doch trugen sie Sklaven zu

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