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Das Vermächtnis des Rings

Das Vermächtnis des Rings

Titel: Das Vermächtnis des Rings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bauer
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den Merlin nennen?«, sagte er anstelle einer Begrüßung. »Ich habe gehört, dass wir dir unsere Rettung zu verdanken haben.«
    »Nicht mir gebührt Ehre«, sagte ich mit einer Stimme, rau wie Asche, »sondern ihm, der in den Tiefen des Meeres das ewige Licht bewahrt, eingefangen im Stein…« Meine Stimme versagte.
    Staunen lag in der Stimme des Alten. »Du hast ihn gesehen?«, fragte er. »Den lapis excillis, den Gral der Gnade? Dies ist etwas, dessen nur wenige sich rühmen können.«
    »Ich rühme mich nicht«, sagte ich. »Ich bin nur dankbar.«
    »Und wie«, meinte der Alte, »kann ich dir danken?«
    Ich fasste ihn am Arm seiner Kutte. »Lasst mich hier bleiben, Vater«, sagte ich. »Lasst mich hier die Zeit meines Lebens verbringen, die mir noch bleibt; denn ich habe genug gesehen. Gebt mir den Frieden.«
    Er sah mich nur an, und was er in meinen Augen sah, schien ihn zu überzeugen. Er fragte nicht nach meinem Glauben, nicht nach meiner Herkunft.
    »Wenn Herr Arthur keine Einwände hat«, sagte er, und als dieser den Kopf schüttelte, fuhr er fort: »So sei es denn.«
    Und zum ersten Male seit jener verhängnisvollen Stunde, da ich erwacht war in der Finsternis, nackt auf einem Bett aus Stein, hatte ich ein Gefühl, als sei ich heimgekehrt und hätte nach langen Wanderungen endlich eine Stätte der Ruhe und des Friedens gefunden.
    Darum habe ich dies alles niedergeschrieben, auf Geheiß des Abtes, um mit meiner Vergangenheit abzuschließen, bevor ich die Kutte der Mönche von Glastonburh überstreife, um von nun an meine Stimme nur noch im frommen Choral zum Lobe dessen erschallen zu lassen, der alle Zeit in seinen Händen hält.
     
     
    N ACHTRAG
     
    Heute kam Bruder Brendan zu mir, um mich im Anwesen der Mönche herumzuführen. Wir besichtigten die Gärten, die Bienenstöcke, die Stallungen und die Küche, aber auch die Zellen der Mönche und die Studierstuben und die große Bibliothek, wo Brüder mit unendlicher Geduld Bögen von feinem Vellum mit verschlungenen Initialen schmücken. Wir waren gerade im Begriff zu gehen, als mir eine andere Tür ins Auge fiel, eine alte Tür mit Beschlägen aus Eisen, die in einen weiteren Raum führte.
    »Und was ist dahinter?«, fragte ich.
    »Das ist die Schatzkammer«, gab Bruder Brendan Auskunft. »Dort bewahren wir liturgische Geräte und alte Kostbarkeiten aus dem Besitz der Abtei auf. Warte, ich werde sehen, dass der Prior mir den Schlüssel gibt.«
    Die Kammer war klein und stickig, an den Wänden Regale mit Kästen und Gegenständen – Kerzenleuchter, ziselierte Kreuze, Weihrauch- und Salbgefäße und manches andere, das verpackt und verschnürt war.
    »Sieh dich nur um«, meinte Bruder Brendan. »Manches von diesen Dingen ist sehr alt, weit älter als die Abtei, aus einer Zeit, an die sich heute keiner mehr erinnert.«
    Warum zitterten meine Hände, als ich den morschen Lederbeutel an mich nahm? Das abgewetzte Symbol darauf war kaum noch zu erkennen, aber ich kannte es gut: der Stern von Numenor. Und ich sah die Zeichen, die in das Leder geprägt waren, in einer Schrift, die seit Tausenden von Jahren keiner mehr zu lesen vermochte. Keiner außer mir.
    Meine Finger öffneten die Verschnürung. Wie von selbst glitt die Harfe in meine Finger.
    »Seltsam«, sagte Bruder Brendan. »Ich dachte, dass ich alle Schätze dieser Abtei kenne, aber dies muss schon so lange hier liegen, dass sich keiner mehr daran erinnert. Doch ich habe davon reden hören, von der Harfe, die in den Tiefen des Meeres erklingt, wenn man nur lange genug lauscht. Es heißt, sie gehörte einem Barden, der mit seiner Musik die Schöpfung Gottes herausforderte. Sein Name ist vergessen.«
    »Ambros«, sagte ich, »so hieß er, Ambarosse in der alten Sprache: die aufsteigende Welle, die alles verschlingt. Es ist mein Name.«
    Ich nahm den erstarrten Ausdruck auf seinem Gesicht kaum wahr, denn meine Finger strichen sanft über die Saiten, während meine Linke mit den vertrauten Bewegungen die Schlüssel justierte, bis zu jenem Punkt, an dem ich spüren konnte, wie jene Macht, die ich einst in Händen gehalten hatte, wieder zum Greifen nahe war: die Musik der Schöpfung, an der mitzuwirken mein Fluch und mein Ruhm war.
    Ich wusste, ich würde mich nicht vergraben in diesem Refugium der Träume. Ich werde hinausziehen in die Welt. Die Welt ist groß und weit, und der Gesang des Meeres ist immer noch nicht verstummt.
    Und wer weiß – könnte es nicht sein, dass es mir, Ambros, den man den Merlin

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