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Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman

Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman

Titel: Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamar Yellin
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schmerzlosem Wohlwollen. Mein Herz ist anderswo. Und ich denke daran, dass mein Leben erst zur Hälfte vorüber ist.
    Und so gehen wir weiter im grünen Schatten der Bäume, senken die Köpfe unter herabhängenden Blüten und treten schließlich auf die offene Rasenfläche, wo die Kinder mit Wasser herumspritzen und einander jagen und wo der kleine Daniel sitzt und mit einem Löffel auf den Boden haut. Wir rennen ein bisschen herum wie unbeholfene Erwachsene. In der Loggia steht der Kaffee bereit.
    Auf dem niedrigen Tisch stehen kleine Kuchen und Zimtplätzchen, weißes Porzellan und ein Teller Süßigkeiten. Die Kinder rennen rein und raus. Wir sitzen in der warmen Brise, die die Bananenblätter rascheln lässt, und sprechen über England.
    Rachael ist hierhergekommen, als sie noch sehr jung war. Sie sagt, so sei es am besten: je unwissender, desto besser. Je jünger man ist, desto weniger hat man zu verlieren. Als Rachael und Daniel sich begegneten, war er kurz davor abzureisen. Sie war es, die ihn zum Bleiben überredete.
    »Ich habe gesagt, entweder ich oder England«, sagte sie,
»und da hat er sich für mich entschieden.« Sie lächeln sich an. »Warum bist du nie hierher gezogen, Shulamit?«
    Ich denke an Mr. Cantor aus meiner Kindheit: einen Schüler meines Vaters, der pflichtbewusst seine Zahlen und Konjugationen lernte, seine Apotheke verkaufte und mit seiner Frau zusammen übersiedelte in eine kleine Wohnung in Netanja mit Blick auf den Strand. Vor ihrer Abreise gaben sie eine Abschiedsparty, und den ganzen Heimweg lang stritten sich meine Eltern im Auto erbittert darüber, warum wir nicht so sein konnten. Neun Monate später waren die Cantors wieder da, desillusioniert und erschöpft, zermürbt von einer böswilligen Bürokratie.
    »Ich schwör’s«, sagte Mr. Cantor zu meinem Vater, »die wollen uns in diesem Land nicht.«
    Mein Blick begegnet Daniels für den Bruchteil einer Sekunde. »Ich schätze«, antworte ich, »ich war zu sehr in England verliebt.« Wir sehen beiseite.
    Die Sonne wandert von den Akazien hinter den Walnussbaum. Die Rasenfarbe verändert sich von dunkelgrün zu schwarzgolden. Rachaels nackter Fuß schwingt auf der Armlehne des Korbsessels vor und zurück, vor und zurück, und sie sagt, sie wird nie mehr zurückgehen, bis in alle Ewigkeit an diesem Fleck bleiben.
    Es wird spät, ich verpasse noch meinen Zug.
    Wir verabschieden uns, und sie laden mich ein wiederzukommen, zu kommen und zu bleiben, sie sagen, ich sei ihnen immer willkommen. Ich nehme ihre Nettigkeiten lächelnd an: Rachael verabschiedet mich mit Küsschen, und als er meine Hand ergreift, spüre ich beinahe nichts.

Fünfundzwanzigstes Kapitel
     
    Zwei Stunden lang ging er die Allenby-Straße auf und ab, bis er sich dazu durchgerungen hatte, in die Trumpeldor-Straße zu gehen. Er las Zeitung. Er schaute in Schaufenster, die mit orangefarbenem Zellophan beklebt waren. Er kaufte Geschenke für die Kinder. Er aß eine Tüte Nüsse. Schließlich ging er zu dem Gebäude, das er bald nach seiner Ankunft ausfindig gemacht hatte. Er stand davor, starrte hinauf und versuchte vergeblich zu erraten, welches ihr Fenster war.
    Das ist das Bild von ihm, das ich vor mir sehe, das ich nie gesehen habe: In seinen besten Kleidern steht er auf dem Gehweg unter dem Fenster der Frau, die er liebt.
    Aber vielleicht trug er gar nicht seine besten Kleider. Vielleicht trug er seine zweitbeste Hose und ein offenes Hemd. So kleidete er sich normalerweise in Jerusalem, in Tel Aviv. Vielleicht trug er seine zweitbeste Hose, sein neues Hemd, das er für die Reise gekauft hatte, und eine Krawatte. Die blaue Krawatte, die ich ihm zu seinem letzten Geburtstag geschenkt hatte. Zu förmlicheren Anlässen trug er immer eine Krawatte.
    Ich stelle fest, dass ich nicht weiß, wie mein Vater sich gekleidet hätte, ich weiß nicht, wie irgendein Mann sich kleiden würde, wenn er nach dreißig Jahren Abwesenheit die Frau besucht, die er liebt.
    Ich weiß auch nicht, wie lange er dort auf der Straße stand, wie lange unzählige Menschen gleichgültig an ihm vorbeigingen, und ob ihn vielleicht eine misstrauische Wienerin, die gerade ihre Balkonlamellen putzte, mit einem Staubwedel in der Hand von oben beobachtete. Ob er nach einer Weile das Gebäude betrat oder ob er mit gesenktem Kopf tieftraurig weiterging.

    Was denkt er, als er dort steht, einen Strauß welkender Rosen in der Hand? (Vom Verkäufer mit etwas Wasser besprüht, damit sie frisch aussehen.)

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