Das Vermächtnis des Templers
Schüler lange beisammen und sprachen über die längst vergangene Antike, die in den Büchern überlebt hatte.
Über diese Ausbildung gingen Monate ins Land. Zweimal im Jahr erhielt der Junge Besuch von zu Hause. Dies gab ihm das Gefühl, nicht völlig von der Welt ausgeschlossen zu sein. Er erfuhr, dass es seiner Familie allen Widrigkeiten der Natur zum Trotz recht gut ging. Missernten hatte es nicht gegeben, und alle waren gesund. Allein der Umstand, dass er seine Mutter nicht sehen konnte, erfüllte Johannes mit Trauer, doch hatte man ihm zugesagt, mit dem Ende der Novizenzeit und dem Ablegen der Profess das Kloster gelegentlich verlassen zu dürfen. Das gab ihm Mut und Hoffnung. Und bald sollte er der Erfüllung seines Wunsches einen Schritt näher kommen.
An einem Julimorgen teilte Jordanus dem Jungen mit, dass der Abt ihn zu sprechen wünsche. Gemeinsam durchquerten sie den Konversentrakt und begaben sich zum Abtshaus. Im ersten Stock schien Abt Lefhard auf die beiden zu warten. Als sie eintraten, stand der schlanke, hochgewachsene alte Mann, dessen Kutte völlig weiß gebleicht war, am Fenster und blickte hinaus. Er drehte sich um und betrachtete den Jungen, der vor ihm auf die Knie gegangen war und ihm damit seine Achtung bezeugte.
«Steh auf, Johannes», sagte der Abt.
Zunächst musterte er den Jungen sehr genau, doch dann blickte er ihn freundlich, ja feierlich an.
«Wir haben Gutes von dir gehört, Johannes. Du erfüllst deine Arbeiten fleißig, umsichtig und verlässlich. Außerdem studierst du die Schriften. Wir beobachten all dies mit Wohlwollen und großer Zufriedenheit. Du hast nun ein Alter erreicht, das es dem Kloster erlaubt, dich als Novizen aufzunehmen. Dann wirst du ein Jahr der Probe durchleben. An deinem täglichen Tun wird sich manches ändern, und du musst auch an Gottesdiensten teilnehmen. Allerdings solltest du dich aus freiem Herzen zu diesem Weg bekennen und dies auch feierlich vor allen kundtun. Du weißt, es ist der erste Schritt zu deiner Aufnahme als Mönch.»
Der Abt vergewisserte sich, dass der Junge aufmerksam zuhörte.
«Ist es dein Wille, diesen Weg zu gehen?»
Johannes blickte auf und nickte.
«Ja, ich will diesen Weg gehen.»
Der Abt ging auf ihn zu und umarmte ihn.
«Ich freue mich, dich bei uns zu wissen», sagte er. «Morgen wirst du in Anwesenheit der Brüder in den Orden aufgenommen.»
Noch einmal drückte der Abt den Jungen an sich und wandte sich dann an Jordanus.
«Bereite Johannes für die feierliche Handlung vor. Morgen wird für ihn ein großer Tag sein.»
Jordanus nickte. Er und der Junge verbeugten sich und verließen den Raum.
In der Nacht lag Johannes lange wach. Das, was am folgenden Tag geschehen würde, ging ihm durch den Sinn, nicht so sehr die Rituale, die er nicht kannte, sondern der Umstand, dass er mit der Aufnahme als Novize noch stärker an die Welt des Klosters gebunden wurde. Längst schien alles vorherbestimmt. Und vielleicht war es Gott, der diesen Weg für ihn gewählt hatte. Dies und der Gedanke daran, weiter mit den Büchern arbeiten zu können, stimmte ihn erwartungsvoll.
Die Zeremonie am folgenden Abend war ebenso feierlich wie einfach gehalten. Zur siebten Hora waren alle Herrenmönche im Kapitelsaal versammelt. Beim Erklingen des gemeinsamen Introitusgesangs der Brüder wurde Johannes hereingeleitet und kniete vor dem Abt nieder. Die Mönche stimmten nacheinander fünf Psalmen an. Nach einem kurzen Responsorium verlas der Abt Auszüge der Carta Caritatis, die das Noviziat und besonders die zisterziensischen Pflichten des Opus Dei, der Lectio Divina und des Labor Manuum beinhalteten. Johannes war im Lateinischen so weit fortgeschritten, dass er verstand, dass es hier um Gottesdienst, geistliche Lesung und die Verpflichtung zur Arbeit ging. Johannes versprach, diesen Regeln zu folgen. Dann erhielt er die Ordenstracht: eine hellgraue Kutte aus der Wolle der Klosterschafe und einen schwarzen, kurzen Schulterumhang, der über Brust und Rücken breit herabfiel. Die Mönche schritten einer nach dem anderen zu ihm und begrüßten ihn mit dem Bruderkuss auf beide Wangen. Dann intonierten sie das Magnificat: Großes hat mir der Allmächtige getan und heilig ist sein Name, und seine Barmherzigkeit währet von Geschlecht zu Geschlecht über die, welche ihn fürchten. Nach dem Kyrie, dem Vaterunser und den Fürbitten schloss der Abt den Gottesdienst mit dem Segen. Die Mönche zogen aus dem Kapitelsaal zum gemeinsamen Mahl ins Refectorium. Johannes
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