Das Vermächtnis des Templers
Loccum so oft erlangt hatte.
Am nächsten Morgen wurde Johannes von Martin geweckt. Gemeinsam gingen sie zum Hafen und nahmen in einem Gasthaus ein einfaches Mahl ein, das aus einer Käsesuppe mit Zwiebeln, Brot aus Roggenmehl und Wein bestand.
«Ich habe alle Papiere beisammen», erläuterte Martin. «Der Eigner des Schiffes, das ich ausgesucht habe, wird Euch nach Brügge bringen und dort Eure weitere Passage aushandeln. Der Mann hat schon oft für uns gearbeitet und ist daran interessiert, auch künftig mit uns Geschäfte zu machen. Deshalb halte ich ihn für vertrauenswürdig. Haltet aber dennoch die Augen offen.»
«Was könnte Schlimmes geschehen?», fragte Johannes. «Der Schiffseigner kann Euch unterwegs aussetzen. Oder er
hält sich nicht an unsere Abmachung und lässt Euch in Brügge allein. Aber gehen wir nicht davon aus. Ich bin zuversichtlich. Wer dauerhaft Handel treiben will, muss verlässlich sein.»
«Habt Ihr noch weitere Vereinbarungen getroffen?» «Der Eigner ist dafür verantwortlich, dass Ihr genügend zu essen und zu trinken habt und unversehrt nach Brügge gelangt. Ich habe ihm zur Auflage gemacht, uns einen Brief zurückzubringen, den Ihr in Brügge schreiben werdet, ein Nachweis, dass Ihr gut angekommen seid. Ihr solltet diesen Brief möglichst in lateinischer Sprache verfassen. Die Schiffseigner können wohl lesen, aber sie beherrschen nur unsere Landessprache.»
Johannes nickte.
«Ihr seid ein kluger Mann.»
Martin lächelte.
«Als Kaufmann sollte man das sein. Und nun kommt.»
Die beiden Männer gingen die Schlagde entlang und blieben vor dem ersten der drei großen Schiffe stehen. Dort sahen sie, wie gut ein Dutzend Seeleute damit beschäftigt war, schwere Säcke an Bord zu tragen. Martin wandte sich an einen besser gekleideten Mann, der offensichtlich die Arbeiten überwachte. Sie wechselten ein paar Worte. Dann ging der Mann auf Johannes zu und begrüßte ihn mit Handschlag.
«Johannes, Mönch aus Loccum. Willkommen an Bord.»
Beim Abschied hatte Johannes von Martin nicht nur die herzlichsten Wünsche für eine gute Reise erhalten, sondern auch den Rat, sich möglichst in der Mitte des Oberdecks aufzuhalten. Zunächst konnte er sich nicht recht vorstellen, was damit gemeint war. Aber nachdem das Schiff aus der Wesermündung auf die offene See gefahren war und Wind aufkam, verstand er schnell, was es damit auf sich hatte. Im Hafen und noch auf dem Fluss glitt das Schiff ruhig und geradezu sanft über das Wasser. Doch mit wachsender Entfernung vom Festland wuchsen auch die Kräfte des Meeres, und obwohl der Wind verhalten wehte, schwankte das Boot ununterbrochen auf nie ganz vorhersehbare Weise mal nach rechts und mal nach links. Dieses Schwanken war geringfügig, aber nach einiger Zeit spürte Johannes ein Unwohlsein. Die Seeleute waren diesen Zustand offenbar gewohnt. Aber bei den übrigen Mitreisenden, die sich an der Reling aufhielten, blieb diese beständige Unruhe des Schiffes nicht ohne Wirkung. Sie wurden blass im Gesicht und mussten sich übergeben. Johannes hatte sich der Reling ferngehalten, als er bemerkte, dass die Bewegung des Schiffes in der Mitte des Oberdecks nicht so deutlich spürbar war. So blieb ihm die unangenehme Erfahrung erspart. Nach einigen Stunden hatte er sich an die Bewegungen gewöhnt.
Nachdem das Schiff die hohe See erreicht hatte, hielt der Navigator westlichen Kurs und blieb dabei immer in Sichtweite der Inseln, die dem Festland unmittelbar vorgelagert waren. Die Reisenden an Deck hatten die Wahl, entweder zur Rechten das weite Meer zu betrachten oder zur Linken den langsamen Wandel der Küstenlandschaft zu beobachten. Johannes konnte beidem nicht viel abgewinnen, und so erkundete er etwas näher das Schiff, das mit vollen Segeln eine große Geschwindigkeit entwickelte. Der Eigner hatte ihm kurz erläutert, dass Schiffe dieser Größe und Gestalt Kogge genannt wurden. Johannes durfte sich im Laufe der Reise davon überzeugen, dass eine Kogge große Lasten transportieren konnte. Unter dem Hauptdeck besaß das Schiff mehrere hohe Lagerräume, die mit Getreidesäcken prall gefüllt waren. Der Transport unter Deck schützte vor Wasser und stellte sicher, dass das Getreide auch am Ende der Reise weitgehend trocken geblieben war. Die Mitreisenden konnten sich ebenfalls unter Deck aufhalten und dort auch schlafen. An Bug und Heck besaß die Kogge Halbdecks, die von der Mannschaft und vom Eigner und Navigator genutzt wurden.
Am ersten Tag gab es eine
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