Das Vermächtnis des Templers
diese Waffe zu führen. Ich durfte nur einmal einen Mönch kennenlernen, der diese Meisterschaft beherrschte. Es war ein Templer.»
Johannes blickte auf.
«Wir werden Schwierigkeiten bekommen» sagte der Abt. «Das, was heute geschehen ist, kann sich wiederholen. Versteht mich richtig. Mir ist die Sorge um dieses Haus übertragen, ebenso wie die Sorge um die Pilger und alle Menschen, die an unser Tor klopfen. Deshalb möchte ich Euch bitten, diesen Ort nicht zu gefährden.»
Johannes nickte.
«Es ist nicht in meinem Sinne, das Grab des heiligen Apostels in Gefahr zu bringen», sagte er. «Ich stehe in Eurer Schuld, denn Ihr habt mit Eurem Mut mein Leben gerettet. Ich werde Euer Haus morgen verlassen, um Euch nicht weiter eine Gefahr zu sein.»
«Welches Ziel habt Ihr?»
«Den Norden.»
«Nach Köln?»
Johannes nickte.
«Der beste Weg geht über die Eifel. Mit dem Pferd kommt Ihr schnell voran.»
«Dann werde ich diesen Weg nehmen.»
«Nein.» Der Abt überlegte kurz. «Dort wird man Euch erkennen. Ein Mönch zu Pferd. Das ist ungewöhnlich. Ihr könnt so nicht weiterreisen. Und Ihr müsst eine andere Route nehmen.»
«Meine Begleiter wollen nach Sponheim gehen.»
«Das wäre ein großer Umweg. Es gibt noch eine weitere Möglichkeit. Einen Weg, auf dem Euch niemand begegnen wird.»
Von draußen rief die Glocke zum Gebet.
«Lasst uns gehen. Morgen wird sich alles finden.»
Johannes verbeugte sich vor dem Abt und wollte niederknien. Doch der bat ihn aufzustehen, sah ihn wohlwollend an und gebot ihm, in die Klosterkirche zu gehen, um vor dem Grab des heiligen Michael zu beten.
Johannes hatte schlecht geschlafen. Tief aus dem eigenen Inneren war in der Nacht die Unruhe emporgestiegen, dem Instinkt eines Tieres ähnlich, und gegen diese Kraft hatte er sich nicht wehren können. Als er am Morgen durch die Glocke geweckt wurde, die zur Prim rief, kostete es ihn große Willenskraft, die Müdigkeit abzuschütteln und sich vom Lager zu erheben.
Er nahm Teil am Gebet und dem Morgenmahl der Mönche, begab sich danach noch einmal in die Basilika und suchte das Grab des heiligen Michael auf. Eine Steinplatte verbarg die Gebeine des Apostels. Johannes kniete nieder und warf sich zu Boden. Dann betete er das Kyrie, einmal, zehnmal, hundertmal, ohne die Lippen zu bewegen, einem Gesang ähnlich, der nur seinem Geiste hörbar war. Irgendwann erhob er sich, verbeugte sich vor dem Grab und ging langsam zurück zur Pforte. Er spürte, dass ihm dieser Ort Stärke gegeben hatte. Die Dämonen in seinem Herzen waren zur Ruhe gekommen. Doch sie würden wieder erwachen, und er würde ihnen nicht immer davonlaufen können. Heute allerdings ließ er sie dahinfahren, kehrte ganz und gar zurück in jenen Zustand, den die Menschen die Wirklichkeit nennen, und begab sich in den Kreuzgang.
Der Abt wartete dort bereits auf ihn, begleitet von einem Bruder, den er bisher noch nicht gesehen hatte. Johannes verbeugte sich vor den beiden.
«Gott mit Euch», begrüßte ihn der Abt. «Das ist Carolus. Er wird Euch helfen können.»
Carolus verbeugte sich ebenfalls und betrachtete Johannes aus jungen, lebendigen Augen, nicht ohne eine gewisse Neugier.
«Ich glaube, es ist das Sicherste, wenn Ihr auf dem Wasser weiterreist», fuhr der Abt fort. «Unser Kloster hat gute Kontakte zu den Kaufleuten Triers. Sie handeln mit den Städten des Nordens. Carolus kann Euch zu ihnen führen. Allerdings werden sie ihre Dienste nicht ohne Gegenleistung anbieten, denn sie sind Händler, keine Mönche. Ihr müsst selbst mit ihnen verhandeln. Aber sie sind verlässlich. Wenn sie ein Geschäft machen, werden sie Euch nicht enttäuschen.»
«Ich danke Euch», sagte Johannes. «Ihr riskiert viel, um mir zu helfen.»
«Es ist nur wenig, was ich tun kann», antwortete der Abt. «In der Nacht hat es in der Stadt Unruhen gegeben. Die Jagd nach den Brüdern Eures Ordens geht weiter.»
Johannes nickte.
«Dann bleibt mir keine Zeit», sagte er. «Ich werde sofort aufbrechen. Die Reiter des Königs können wiederkommen.»
Der Abt nickte. Dann umarmte er Johannes und gab ihm den Bruderkuss.
«Lebt wohl. Möge die Gnade unseres Herrn Euch allzeit begleiten.»
Johannes wollte etwas sagen, doch der Abt gebot ihm zu schweigen. Alles sei gut, so wie Gott es eingerichtet habe, und sein Weg sei gesegnet, was immer geschehe.
Wenig später verließ Johannes gemeinsam mit Carolus das Kloster. Sie wanderten auf einem kleinen Pfad der Stadtmauer entgegen. Am Sattel des Pferdes waren Bogen und
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