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Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Titel: Das Vermaechtnis des Will Wolfkin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Knight
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heißen Quellen Dampfwolken und alle paar Minuten schleuderten Geysire Dampf und Wasser mindestens fünfzig Meter hoch in die Luft und sprühten feine Wasserschleier auf die Steingiebel.
    »Fantastisch, oder?«, sagte Egil mit einer Spur von Stolz. »Gegen so viel Schönheit ist mir eure Menschenwelt vorgekommen wie altbackenes Brot. Sie hat einen Geruch wie etwas, das lange in einer Tüte gesteckt hat. Unsere Welt dagegen riecht wie … wie neues Schuhleder. Wie ein Abenteuer für Ausreißer … findest du nicht?«
    Doch, das musste ich zugeben.
    Egil zog mich am Arm weiter, die letzte Treppe hinunter, die, wie ich feststellte, aus vulkanischem Gestein gehauen war. Wir waren jetzt fast unten angekommen und auf der Straße sah ich Fel der unterschiedlichsten Größen und Gestalten, die ihren Geschäften nachgingen. Die meisten trabten mehr, als dass sie liefen, manche ritten auf Islandponys oder fuhren in zweirädrigen Wagen, die ebenfalls von diesen kleinen, zähen, stämmigen, meist schwarzen Pferden gezogen wurden. Es fand gerade ein Markt statt, an den Ständen hingen geschlachtete Rentiere und Robben, gerupfte Papageientaucher, Kormorane und andere Wildvögel. Musikanten spielten auf Instrumenten, die wie kleine Spielzeuggeigen aussahen und trotzdem laut dröhnende, doch wunderbar melodische Klänge hervorbrachten. Passanten warfen den Musikern Goldmünzen auf ihre groben Wolldecken.
    Auf der Straße angekommen, sah ich, wie viel Gold es in Langjoskull geben musste. Tür- und Fenstergriffe, die Winkelstützen an Marktständen, die Naben der Wagenräder und selbst die Nägel – all diese Dinge waren aus Gold!
    Ein Wagen kam um eine Kurve gerast und Egil musste mich von der Straße zurückreißen. Er zupfte an seiner wilden schwarzen Haarmähne.
    »Hör auf zu staunen und mach ein normales Gesicht!«, flüsterte er.
    Ich zog den Kopf halb unter meinen Pelzkragen, vergrub die Hände in den Taschen und ging neben Egil her. Die Marktleute tauschten Fleisch und Seetang gegen glänzende Goldmünzen, die zu hohen Türmen auf den Verkaufstresen gestapelt waren. In den Werkstätten hinter den Buden wurde auf Hochtouren gearbeitet. Ich sah einen Schuster, einen Kerzendreher, einen Hufschmied und einen Goldschmied. Die Schmiede arbeiteten an Öfen, die um weiß glühende Lavahaufen herumgebaut waren. Gekühlt wurde das Metall in Eimern voller Eissplitter. Der Geruch des vulkanischen Feuers mischte sich angenehm mit dem aromatischen Duft nach gebratenem Fleisch.
    Plötzlich hörte ich hinter mir jemanden schreien und Egil raunte mir zu: »Lauf, Toby!«
    Er rannte an mir vorbei und verschwand in einer dunklen Seitengasse. Als ich mich umdrehte, sah ich, wie ein dickbäuchiger Händler, der gebratenes Fleisch verkaufte, nach einem Hackbeil griff und eilig hinter uns herkam.
    »Toby, lauf schon!«, rief Egil aus der Seitengasse. So schnell ich konnte, rannte ich ihm nach, sprang über einen Lavastrom und traf schließlich in einem dunklen Hauseingang wieder mit ihm zusammen. Er hatte einen Brocken Rentierfleisch in der Hand, den er wie in Trance anstarrte.
    »Was ist denn passiert?«, fragte ich atemlos.
    »Ich hab kein Fel-Geld«, keuchte er, ohne von dem dampfenden Fleisch aufzublicken. »Da musste ich es klauen.«
    Am Eingang der Gasse watschelte der dicke Händler mit seinem Hackbeil vorbei.
    Wir rührten uns nicht, bis er verschwunden war.
    »Ich dachte, wir sollten keine Aufmerksamkeit auf uns lenken?«, sagte ich.
    »Dir konnte ich aber einfach nicht widerstehen, mein Kleines«, sagte er zärtlich zu dem Stück Fleisch und biss kräftig ab. Dann stöhnte er auf.
    »Oh, Mann!«
    »Was?«
    »Dieser eine Augenblick! Wenn du nach sieben langen Jahren den ersten Bissen Rentierbraten im Mund hast, das ist einer der schönsten Momente im Leben«, sagte er und stöhnte noch einmal. »Und jetzt ist er schon vorbei.«
    Eine Träne schimmerte in Egils Auge und voll melancholischer Inbrunst biss er zum zweiten Mal ab. Wir aßen abwechselnd von dem Fleisch. Als jemand, der noch nie Fleisch gegessen hatte, wollte ich Egil klarmachen, dass dies für mich ein vermutlich noch größerer Augenblick war als für ihn. Und ich musste zugeben, dass es köstlich schmeckte. Aber Egil machte ein so theatralisches Gesicht, dass ich ihm seinen besonderen Augenblick nicht verderben wollte. Als das Fleisch verputzt war, fing er an, sich die Finger zu lecken, dann die Hände und danach die Unterarme.
    »Egil«, sagte ich schließlich. »Du benimmst

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