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Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Titel: Das Vermaechtnis des Will Wolfkin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Knight
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ich sahen einander an. Mein Gefühl sagte mir, dass sie ähnlich empfand wie ich: Wenn dies das Ende sein sollte, so hatten wir immerhin dieses Abenteuer gemeinsam erlebt und zueinandergefunden, bevor wir starben. Als ein Schwall Lava wie Regen herabfiel, machten wir uns darauf gefasst, verschüttet zu werden.
    Ich streckte Emma die Hand entgegen und sie mir die ihre. In diesem Augenblick stellten wir beide etwas Verblüffendes fest: Die Clanzeichen in unseren Händen hatten sich wieder verändert; statt Wölfen waren da jetzt zwei Schwalben! Zwei wunderschöne blaue und cremefarbene Schwalben!
    Wir starrten gegenseitig auf unsere Hände. Auf Emmas Handfläche glitt die Schwalbe mühelos durch die Luft, hinter ihr goldenes Sonnenlicht. Auf meiner Hand schlug sie wild mit den Flügeln, um in einem starken Wind die Richtung zu ändern. Während ich zuschaute, begriff ich, dass ich diese zwei Vögel schon einmal gesehen hatte.
    Die Schwalben waren Look und Leave, meine zwei kleinen Freunde aus Afrika, die in jedem Frühjahr zum Kloster kamen und unter der Dachrinne nisteten. Ganz bestimmt sehen alle Schwalben gleich aus, aber diese beiden hatte ich so viele Stunden beobachtet, dass kein Zweifel bestand: Sie waren es.
    »Look und Leave!«, rief ich staunend, und Emma hob überrascht den Blick von ihrer Hand.
    »Was sagst du?«
    »Beim Kloster waren immer zwei Schwalben …«
    »… und sie hießen Look und Leave«, ergänzte Emma meinen Satz.
    »Ja!«
    »Ich habe auch immer zwei Schwalben beobachtet«, sagte sie. »Und auch ich habe sie … Look und Leave genannt.«
    Wir starrten einander an.
    »Sie hatten ein Nest …«, sagte ich.
    »… vor unserer Hütte«, sagte Emma.
    »Jedes Frühjahr sind sie wiedergekommen.«
    »Jeden Herbst.«
    »Aus Afrika …«
    »Aus England.«
    »Und ich wollte immer …«
    »… davonfliegen … und so sein wie sie.«
    Wir fassten uns fest an den Händen. Die Schlaflosen Krieger hatten inzwischen einen Kreis um uns gebildet. Immer dichter rückten sie heran, und die Hitze ihrer glühenden Lavaschwerter war jetzt so stark, dass ich fürchtete, meine Haare würden jeden Augenblick Feuer fangen.
    »Zwei Schwalben …«, sagte ich.
    Wir schlossen fest die Augen. Ich dachte an meine zwei kleinen Freunde und wie sie sich immer in ihr Nest unter der Regenrinne kuschelten. Ich sah ihre glänzenden schwarzen Knopfaugen vor mir, ihre spitzen gespaltenen Schwanzfedern, ich hörte ihr sorgloses Gezwitscher frühmorgens.
    Die Hitze der Lavaschwerter um uns herum wurde immer unerträglicher.
    Ich spürte, wie mein Körper anfing zu schmelzen. Dann sah ich eine Schwalbe aus dem »Nebel« auftauchen. Die Hitze war jetzt nicht mehr auszuhalten. Meine Knochen schienen erst weich wie Wackelpudding zu werden und dann stabil wie Strohhalme. Mein Gesicht schnurrte zusammen und um die Nase herum wurde alles hart. Plötzlich hatte ich den Drang, ganz schnell mit den Armen zu rudern, um der unangenehmen Hitze zu entgehen.
    Und dann spürte ich, wie ich langsam vom Boden abhob!
    Zuerst nahm ich nur den schwirrenden Luftstrom an meinem Körper wahr und die Anstrengung, die mich das Flattern kostete. Es war ein bisschen so, als würde man auf einem Klumpen Kaugummi herumbeißen, der eigentlich zu groß ist für den Mund. Gleichzeitig aber empfand ich eine überschwängliche Freude und ein kribbelndes Gefühl von Höhe und das wog jede Anstrengung auf.
    Als ich mich irgendwann getraute, die Augen zu öffnen, hätte ich vor Schreck beinahe aufgehört, mit den Flügeln zu schlagen: Die Schlaflosen Krieger standen nun etliche Meter unter uns und fuchtelten wild mit ihren Lavaschwertern. Im Tageslicht, das von oben in den Schacht fiel, sah ich meine Flügelspitzen! Ich hatte tatsächlich Flügel! Lange blaue Flügelschwingen!
    Dann hörte ich ein Zwitschern und spürte neben mir frohe und glückliche Gedanken. Ich schaute nach links und sah auf der heißen Luftströmung, die von den Schwertern unserer Feinde aufstieg, eine hübsche blau-weiße Schwalbe gleiten. Mühelos stiegen wir im Minenschacht empor und dem freien Himmel entgegen. Knapp unter der Oberfläche traf der warme Luftzug von unten mit einem kräftigen Schwall eiskalter Luft von draußen zusammen. Noch nie hatte ich etwas Ähnliches gespürt. Die prickelnde Klarheit von Eis und Himmel jagte mir einen Schauer durch den Körper. Im nächsten Moment schossen wir aus dem Schacht und schraubten uns in den Himmel.
    Als ich hinunterschaute, sah ich nichts als

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