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Das Vermächtnis von Erdsee

Das Vermächtnis von Erdsee

Titel: Das Vermächtnis von Erdsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. Leguin
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durchschaute. Deswegen mochte er den alten Mann nicht - und wegen seiner Unnachgiebigkeit. Er lobte Hund nie und nahm ihn so selten wie möglich in Anspruch, aber er war zu nützlich, als dass er auf seine Dienst verzichten könnte.
    Er merkte sich den Namen Rok, und als er ihn noch einmal hörte, und zwar im gleichen Zusammenhang, da wusste er, dass Hund wieder einmal auf der richtigen Fährte war.
    Drei Kinder, zwei fünfzehn-oder sechzehnjährige Jungen und ein zwölfjähriges Mädchen, wurden von einer von Losens Patrouillen südlich von Omer aufgegriffen, wo sie mit einem Zauberwind auf einem gestohlenen Fischerboot segelten. Die Patrouille hatte sie nur deshalb festgenommen, weil sie einen eigenen Wettermacher an Bord hatte n, der eine große Welle aufkom men ließ, um das gestohlene Boot zum Kentern zu bringen. Nach Omer zurückgebracht, war einer der Jungen umgefallen und hatte etwas dahergeredet von wegen >zur Hand stoßen<. Als sie diese Worte hörten, hatten die Männer gedroht, die Kinder zu foltern und zu verbrennen. Woraufhin der Junge geschrien hatte, falls sie ihn verschonen würden, werde er ihnen alles über die Hand, über Rok und die Großmagier von Rok erzählen.
    »Bring sie her!«, befahl Früh dem Boten.
    »Das Mädchen ist entkommen, Herr«, gestand der Mann widerwillig.
    »Entkommen?«
    »Sie hat Vogelgestalt angenommen. Fischadler, sagen sie. Hätten das nicht erwartet von einem so jungen Mädchen. Sie war weg, bevor sie etwas bemerkten.«
    »Dann bring die Jungen her!«, verlangte Früh mit tödlicher Geduld.
    Sie brachten ihm einen Jungen. Der andere war aus dem Boot gesprungen und in einem Armbrustgefecht getötet worden. Der Junge, den man ihm brachte, war derartig gelähmt vor Angst, dass es selbst Früh abstieß. Wie sollte er einem Wesen Schrecken einflößen, das ohnehin schon blind und blöde war vor Angst? Er wirkte einen Haltezauber um den Jungen, der ihn unbeweglich aufrecht hielt wie eine Statue aus Stein, und ließ ihn eine Nacht und einen Tag lang so stehen. Ab und zu richtete er das Wort an die Statue, sagte, er sei ein schlauer Bursche und könne eine gute Stelle im Palast bekommen. Vielleicht könne er schließlich nach Rok fahren, weil Früh selbst erwog, nach Rok zu fahren, um sich mit den Magiern dort zu treffen.
    Als er den Zauber löste, versuchte der Junge so zu tun, als wäre er noch immer aus Stein, und redete nicht. Früh musste in seinen Geist eindringen, so wie Gelluk ihm das vor langer Zeit beigebracht hatte, als Gelluk ein wahrer Meister in dieser Kunst gewesen war. Er fand alles heraus, was herauszufinden war. Dann war der Junge für nichts mehr zu gebrauchen und man musste ihn loswerden. Und ebenso beschämend war es, dass er sich von der Dummheit dieser Leute überlistet fühlen musste; und über Rok hatte er nicht mehr erfahren, als dass es dort die Hand und eine Schule gab, an der Zauberei unterrichtet wurde. Und den Namen eines Mannes hatte er erfahren.
    Die Vorstellung von einer Schule für Zauberer erheiterte ihn. Eine Schule für wilde Eber, dachte er, die Schulbank für Drachen! Aber dass es auf Rok so etwas wie ein Sammelbecken für Männer der Macht gab, schien wahrscheinlich, und die Vorstellung einer Zunft oder eines Zusammenschlusses von Magiern entsetzte ihn immer mehr, je länger er darüber nachdachte. Das war unnatürlich und konnte nur unter dem Einfluss einer großen Macht zustande kommen, unter dem Druck eines beherrschenden Willens - dem Willen eines Magiers, der stark genug war, selbst fähige Zauberer in seinem Dienst zu halten. Das war der Feind, den er sich wünschte!
    Hund stehe unten an der Tür, hieß es. Früh ließ ihn heraufkommen. »Wer ist Seeschwalbe?«, fragte er, sobald er den alten Mann vor sich sah.
    Mit der Zeit war Hund seinem Namen ähnlich geworden: faltiges Gesicht mit langer Nase und traurigen Augen. Er schniefte und wollte schon sagen, er wisse es nicht, aber er wusste, dass man besser nicht versuchte, Früh zu belügen. Er seufzte. »Otter«, sagte er. »Der, der Bleichgesicht getötet hat.«
    »Wo hält er sich versteckt?«
    »Überhaupt nicht versteckt. Ist in der Stadt herumspaziert, hat mit Leuten geredet. Ist zu seiner Mutter nach Endweg gefahren, hinter dem Berg. Da ist er jetzt.«
    »Das hättest du mir sofort sagen müssen«, wies Früh ihn zurecht.
    »Ich wusste nicht, dass Ihr hinter ihm her seid. Ich war es lange. Er hat mich hereingelegt.« Hund sprach ohne Groll.
    »Er hat einen großen Magier

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