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Das Vermächtnis von Erdsee

Das Vermächtnis von Erdsee

Titel: Das Vermächtnis von Erdsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. Leguin
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Ihre Stimmen waren sich ähnlich, beide in der höheren Lage, aber dunkel getönt, gefasst und zu einer eintönigen Ruhe gezwungen. Sie setzte sich auf einen Stuhl neben dem seinen am hohen Tisch.
    »Ich kann nicht«, sagte er und hielt inne, dann fuhr er fort: »Ich will wirklich keinen Tanz.«
    »Er versucht ein bisschen den Heiratsstifter zu spielen.«
    »Das ist mir egal.«
    »Das weiß ich.«
    »Das Problem ist...«
    »Das Problem ist die Musik«, meinte seine Mutter schließlich.
    Er nickte.
    »Mein Junge, es gibt keinen Grund«, sagte sie plötzlich leidenschaftlich, »weshalb du alles aufgeben solltest, was du liebst!«
    Er nahm ihre Hand und küsste sie, wie sie so nebeneinander saßen.
    »Die Dinge verbinden sich nicht«, erwiderte er. »Sie sollten es, aber sie tun es nicht. Das habe ich herausgefunden. Als ich den Zauberer verlassen habe. Ich dachte, ich könnte alles sein. Du weißt schon, Magie betreiben, Musik machen, Vaters Sohn sein, Rose lieben. Aber so geht es nicht. Die Dinge verbinden sich nicht.«
    »Doch, doch, sie tun es«, sagte Tuly. »Alles hängt zusammen, ist miteinander verknüpft.«
    »Vielleicht ist das so für Frauen. Aber ich... ich kann kein doppeltes Herz haben.«
    »Doppeltes Herz? Du? Du hast die Magie aufgegeben, weil du wusstest, dass du sie verraten würdest, wenn du es nicht tätest.«
    Er war sichtlich erschüttert von ihren Worten, erwiderte jedoch nichts.
    »Aber warum hast du die Musik auf gegeben?«
    »Ich muss ein ganzes, ein ungeteiltes Herz haben. Ich kann nicht Harfe spielen, während ich mit einem Maultierzüchter verhandle. Ich kann keine Balladen singen, während ich ausrechne, wie viel wir den Pflückern bezahlen müssen, um zu verhindern, dass sie von Zwieg abgeworben werden!« Seine Stimme bebte jetzt, ein leichtes Tremolo, und seine Augen blickten nicht traurig drein, sondern zornig.
    »Dann hast du dich selbst in Bann gehalten«, meinte sie, »so wie der Zauberer dich mit einem Bann belegt hat. Ein Bann, um dich in Sicherheit zu halten. Um dich bei den Maultierzüchtern und Kastanienpflückern und solchen Leuten zu halten.« Sie schlug auf das Hauptbuch voller Listen von Namen und Zahlen, ein schnalzender, wegwerfender Klaps. »Ein Bann der Stille«, sagte sie.
    Nach einer langen Pause fragte der junge Mann: »Was sonst kann ich tim?«
    »Ich weiß es nicht, mein Lieber. Ich möchte, dass du in Sicherheit bist. Ich freue mich, wenn ich sehe, wie dein Vater glücklich und stolz auf dich ist. Aber ich ertrage es nicht, wenn ich dich unglücklich sehe, ohne Stolz! Ich weiß nicht... Vielleicht hast du Recht. Vielleicht gilt für einen Mann immer nur eine Sache. Aber mir fehlt dein Singen.«
    Sie war in Tränen aufgelöst. Sie hielten sich in den Armen, und sie strich ihm über sein dickes, glänzendes Haar und entschuldigte sich für ihre Grausamkeit, und er nahm sie noch einmal in den Arm und sagte, dass sie die beste Mutter der Welt sei, und damit ging sie hinaus. Doch im Hinausgehen wandte sie sich noch einmal um und bat: »Gönn ihm sein Fest, Di. Gönn dir dein Fest.«
    »Ich will es tun«, sagte er, um sie zu beruhigen.
    Golden bestellte das Bier, das Essen und das Feuerwerk, Diamant aber kümmerte sich um die Musiker.
    »Natürlich bringe ich meine Truppe mit«, sagte Tarry, »eine solche Gelegenheit lässt man sich doch nicht entgehen! Alle Fiedler aus dem Westen der Welt werden hier aufkreuzen, bei einem Fest deines Vaters.«
    »Du kannst ihnen sagen, dass ihr die Kapelle seid, die bezahlt wird.«
    »Oh, sie würden allein des Ruhmes wegen kommen«, entgegnete der Harfenspieler, ein schlaksiger Kerl um die vierzig, mit langem Kinn und stumpfem Blick. «Vielleicht kommst du danach mit uns mit? Du hattest Talent dafür, bevor du angefangen hast, Geld zu machen. Und keine schlechte Stimme, wenn du daran arbeiten würdest.«
    »Das bezweifle ich«, sagte Diamant.
    »Dieses Mädchen, das du mochtest, der Hexe ihre Rose, sie zieht mit Labbi herum, habe ich gehört. Bestimmt kommen die auch.«
    »Wir sehen uns dann«, sagte Diamant, stattlich, gut aussehend und gleichmütig, und ging davon.
    »Zu hoch aufgestiegen und mächtig in diesen Tagen, um sich mit unsereinem abzugeben«, brummte Tarry, »obwohl ich ihm alles beigebracht habe, was er auf der Harfe kann. Aber was heißt das schon für einen reichen Mann?«
     
    Tarrys boshafte Andeutungen hatten seine Nerven bloßgelegt, und allein der Gedanke an das Fest belastete ihn, bis er den Appetit verlor. Eine

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