Das Vermächtnis von Erdsee
Haushalt so viel besser zu gebrauchen waren als die vom Moor. Man konnte sich gut mit ihm unterhalten, und sie erzählte ihm von dem Heiler, da es über sie selbst nicht viel sagen gab.
»Erst nutzen sie einen Zauberer aus und hinterher reden sie schlecht über ihn, weil er etwas bewirkt hat«, sagte sie. »Das ist nicht recht.«
»Aber er hat sie irgendwie erschreckt, nicht wahr?«
»Ich vermute, ja. Ein anderer Heiler kam daher, einer, der schon mal hier gewesen ist. Es ist nicht weit her mit ihm, soweit ich das sehen kann. Meiner Kuh mit dem verklebten Euter hat er überhaupt nicht gut getan, vor zwei Jahren. Und seine Salbe, das ist bloß Schweinefett, könnte ich schwören. Nim gut, und er sagt zu Otak: >Du pfuschst mir hier ins Handwerk. < Und Otak erwidert vielleicht das Gleiche. Und sie verlieren die Beherrschung und wirken ein paar schwarzmagische Zauber oder so. Ich nehme an, Otak hat es so gemacht. Aber er hat dem Mann überhaupt nichts angetan, sondern ist selbst in Ohnmacht gefallen. Und jetzt kann er sich an überhaupt nichts mehr erinnern, während der andere Mann unversehrt davon gekommen ist. Und sie sagen, alle Tiere, die er berührt hat, sind auf den Beinen und gesund. Zehn Tage hat er dort draußen zugebracht in Wind und Wetter, hat den Tieren die Hände aufgelegt und sie geheilt. Und wisst Ihr, was der Viehzüchter ihm dafür gegeben hat? Sechs Kupfergroschen! Wundert es Euch da, dass er ein bisschen wütend geworden ist? Also ich meine...« Sie überlegte kurz und fuhr dann fort: »Ich meine, ein bisschen komisch ist er schon, manchmal. Wie Hexen und Zauberer halt so sind, nehme ich an. Vielleicht müssen sie ja so sein, wenn sie mit solchen Mächten und solchen Übeln Umgang haben. Aber er ist ein wahrhaftiger Mensch, und freundlich.«
»Frau«, sagte Falke, »darf ich Euch eine Geschichte erzählen?«
»Oh, seid Ihr ein Geschichtenerzähler? Warum habt Ihr das nicht gleich gesagt! Also das ist es, was Ihr seid? Ich habe mich schon gewundert... Es ist Winter und all das, und Ihr seid auf den Straßen unterwegs. Aber bei dem Pferd dachte ich, Ihr seid ein Händler. Könnt Ihr mir eine Geschichte erzählen? Die würde ich für mein Leben gern hören, und je länger, desto besser! Doch trinkt zuerst Eure Suppe und lasst mich niedersetzen zum Zuhören...«
»Ich bin kein wirklicher Geschichtenerzähler, Mistress«, sagte er mit einem freundlichen Lächeln, »aber ich habe eine Geschichte für Euch.« Und als er seine Suppe ausgetrunken hatte und sie sich mit ihrer Näharbeit hingesetzt hatte, begann er zu erzählen.
»Auf der Insel der Weisen im Innenmeer, auf der Insel Rok, wo das Zauberhandwerk unterrichtet wird, gibt es neun Meister.«
Verzückt schloss sie die Augen und lauschte.
Er zählte die Meister auf, den Pförtner, Meister Hand und den Meister der Kräuterkunde, den Meister des Gebietens und den Meister der Formgebung, Meister Windschlüssel und den Meister der Lieder, den Meister Namengeber und den Meister der Verwandlungen. »Die Künste der Verwandlung und des Gebietens sind sehr gefährlich. Verwandlung oder Veränderung, das kennt Ihr gewiss, Frau. Auch ein gewöhnlicher Zauberer weiß vielleicht, wie man die Illusion einer Veränderung hervorbringt, ein Ding für ein Weilchen in ein anderes verwandelt oder eine andere Gestalt als seine eigene annehmen lässt. Habt Ihr so etwas schon gesehen?«
»Davon gehört«, flüsterte sie.
»Und manchmal behaupten Hexen und Zauberer, dass sie die Toten beschworen haben, die nun durch sie sprechen. Etwa ein Kind, um das die Eltern trauern. Im Dunkel der Hexenhütte hören sie es weinen oder lachen...«
Sie nickte.
»Das sind nur Zaubertricks, bloße Täuschungen. Doch es gibt echte Verwandlungen und echte Beschwörungen. Und das kann für einen Zauberer eine große Versuchung sein! Es ist etwas Wundervolles, auf den Flügeln eines Falken zu fliegen, Frau, und die Erde unter sich mit Falkenaugen zu sehen. Und Beschwörung, die wahres Namengeben ist, ist eine große Macht. Den wahren Namen zu kennen bedeutet Macht zu haben, wie Ihr sicher wisst, Frau. Und die Kunst des Gebietens richtet sich genau darauf. Es ist etwas Wundervolles, Erscheinung und Geist eines längst Verstorbenen zu beschwören. Die Schönheit der Prinzessin Elfarran im Garten von Solea zu sehen, wie Morred sie sah, als die Welt jung war...«
Seine Stimme war sehr sanft, sehr dunkel geworden.
»Nun zu meiner Geschichte. Vor mehr als vierzig Jahren wurde auf der
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