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Das Vermächtnis von Thrandor - Das Schwert aus dem Feuer

Das Vermächtnis von Thrandor - Das Schwert aus dem Feuer

Titel: Das Vermächtnis von Thrandor - Das Schwert aus dem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Robson
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Blick. Er sah eine weiße Mauer ohne jeden Klecks Farbe.
    »Ich sehe das Weiß, Perdimonn. Was kommt jetzt?«, fragte er leise, als er das Bild bereits einige Minuten bewahrt hatte.
    Perdimonn, aus seiner eigenen Meditation herausgerissen, antwortete sanft: »Halte es, solange du kannst.«
    Der alte Mann flüsterte einen Zauberspruch und versetzte sich in Calvyns Gedanken. Tatsächlich, der Geist des Jungen war von einem strahlenden Weiß erfüllt. Erstaunt zog sich Perdimonn zurück, rieb sich kurz die Schläfen und saß dann still da und beobachtete das unbewegte Gesicht seines Schülers.
    »Genug, Calvyn. Öffne die Augen und entspanne dich«, sagte er nach einer Weile und fuhr dann nach kurzer Pause fort: »Das war gute Arbeit. Morgen widmen wir uns einer größeren Herausforderung.«
    »Entweder war ich schwer von Begriff oder dieser Junge ist einzigartig!«, dachte Perdimonn, als er sich daran erinnerte, wie viele Monate der Konzentration es ihn gekostet
hatte, um das perfekte Bild zu erreichen, das Calvyn in zwei Wochen hinbekommen hatte.
    Am nächsten Tag bauten sie wie gewöhnlich ihren Stand auf, diesmal in einem kleinen Dorf am Ufer des Mistian. Seit Calvyn mit Perdimonn reiste, brachte der Handel mit Krimskrams fast genauso viel Geld ein wie der Verkauf von Perdimonns heilenden Tränken und Salben. Der Junge hatte sein Talent fürs Feilschen entdeckt und den Wagen in eine fahrende Fundgrube für allen möglichen Trödel verwandelt. Der alte Heiler war anfangs ein wenig verärgert darüber gewesen, aber er merkte dann schnell, dass die Leute eher in der Kramsammlung des Jungen stöberten, als gezielt nach Wundermitteln zu suchen. Viele, die sich bei Calvyn umsahen, kauften etwas bei Perdimonn, und deshalb ließ er den Jungen gewähren.
    Der Stand war nun bereit und die Dorfbewohner traten nach und nach aus ihren Häusern und kauften gegen Naturalien und bare Münze bei den beiden ein. Anschließend wurde der Wagen wieder beladen, und nach einem gemütlichen Mahl setzen sie ihre Reise fort. Indem er die meditativen Übungen einsetzte, die er nun seit Monaten zu perfektionieren versuchte, unterdrückte Calvyn den Sumpf von Gedanken, der den ganzen Tag über in ihm gebrodelt hatte. Er wusste, dass er auf die besondere, lang erwartete Unterrichtsstunde vorbereitet sein musste, und so übte er seine Lieblingsmeditation, während der Wagen durch die Landschaft rumpelte.
    Sorgsam baute er vor seinem geistigen Auge ein Bild auf, das er während der vergangenen Monate entwickelt hatte. Der Entwurf begann mit dem Umriss eines Ritters auf seinem mächtigen Ross. Im hellgrauen Hintergrund tauchte eine Burg auf. Stolze Zinnen und Türme, auf denen die Wimpel flatterten, dazu ein tiefblauer Himmel, der nur
von ein paar flauschigen Schönwetterwolken durchbrochen wurde, die in der Nachmittagssonne schneeweiß leuchteten. Dem fügte Calvyn einen Wassergraben mit heruntergelassener Zugbrücke hinzu. Im Torbogen, der einzigen Öffnung in der Burgmauer, waren noch knapp die Spitzen des Fallgitters zu sehen.
    Das Pferd, mit glänzendem kastanienbraunen Fell, bäumte sich gegen jeden auf, der meinte, die Macht seines Herren zu besitzen. Der Ritter in silberner Rüstung trug einen leuchtend roten Federbusch auf dem Helm und Schild und Rock schmückte ein farbenprächtiges Wappen. Die eindrucksvolle Erscheinung saß aufrecht im Sattel, das Ende der Lanze senkrecht gehalftert, die Spitze in den Himmel ragend. Vom Wind bewegtes Gras, das im Abendhauch schaukelte – alle Schatten und Einzelheiten des Bildes waren Teil der geistigen Übung, mit der Calvyn eine Klarheit des Blicks zu erreichen suchte.
    Das Bild enthielt alles, was Calvyn als edel und erhebend empfand. Es steckte voller Details aus den Abenteuergeschichten, die sein Vater ihm früher vor dem Zubettgehen erzählt hatte. Der vollkommene Held, der auszog, um die Rechtschaffenen vor bösen Ungeheuern und Schurken zu bewahren. Jetzt aber diente diese Vorstellung einem wichtigeren Zweck und war mehr als nur ein Tagtraum. Sie war eine Konzentrationsübung, mit der er lernte, den Geist zu beruhigen und die Gedanken präzise zu lenken.
    Perdimonn und Calvyn schlugen am späten Nachmittag ihre Zelte in einem kleinen Wäldchen nahe der Straße auf. Der Wagen stand sicher am Rand der Bäume, und Sachte war mit einer langen Leine an einen Pfahl gebunden, den Calvyn auf der benachbarten Wiese in den Boden gerammt hatte. Der Junge bereitete eine Feuerstelle vor und sammelte genug

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