Das Vermächtnis von Thrandor - Das Schwert aus dem Feuer
einen kurzen Moment sah Calvyn ihren Lagerplatz in ein wunderschönes Strahlen getaucht, das von dem weiß glühenden Stock in seiner Hand ausging. Aber so plötzlich, dass er für kurze Zeit zu erblinden schien, geriet seine Konzentration ins Schwanken und das Licht schwand zu einem Nichts. Es blieb nur das flackernde rotgelbe Licht des Feuers.
»Das war verflixt gut für den ersten Versuch, Calvyn«, bemerkte Perdimonn und grinste über beide Wangen. In seinen Augen leuchtete Stolz.
»Aber es war sofort weg, nachdem ich die Augen geöffnet habe« erwiderte Calvyn. Er klang enttäuscht.
»Es ist sehr schwer, das Bild mit offenen Augen zu halten. Der Spruch hat noch einen zweiten Teil, mit dem die von
dir erzeugte Wirkung verstärkt wird und das Licht auch dann weiterleuchtet, wenn man zu sprechen aufhört. Aber dieser Teil ist sehr kompliziert, genau wie der Zauber, den man benötigt, um das Licht zu löschen. Du musst wissen, dass der Stock ohne den Gegenzauber in alle Ewigkeit weiterglühen würde. Das wäre selbst für einen Ast im Festbaum zur Wintersonnenwende ein bisschen übertrieben, und erst recht für diesen Eschenzweig!«
Die beiden lachten, und Perdimonn fuhr fort: »In einiger Zeit werden wir uns auch den schwierigeren Sprüchen widmen, aber für heute hast du einen guten Anfang gemacht, und nach dem, was du gerade gezeigt hast, besteht bestimmt kein Grund, entmutigt zu sein.«
»Perdimonn?«
»Ja?«
»Wenn es so schwer ist,einen Spruch aufrechtzuerhalten, dann muss es doch umso schwieriger sein, einen Zauber in die Elixiere, Mittel und Salben zu bannen, die Ihr fertigt. Warum könnt Ihr die Leute nicht direkt von ihren Krankheiten heilen? Das wäre weniger aufwendig und weniger zeitraubend.«
»Da hast du recht«, antwortete Perdimonn, und sein Gesicht war auf einmal sehr ernst, »aber erinnere dich an die Zeit, bevor du mich trafst. Meinst du, irgendjemand aus deinem Dorf hätte gewollt, dass ein verrückter alter Mann, der behauptet, Magier zu sein, ihre Probleme wegzuzaubern versucht? Ich glaube nicht. Die Leute sind gegenüber Dingen, die sie nicht verstehen, sehr misstrauisch. Sie setzen lieber auf Dinge, die sie anfassen und begreifen können, so wie eine heilende Salbe. Wenn man ihnen sagen würde, dass diese Heilmittel magisch sind, würde ihr Aberglaube sie mit Zweifeln erfüllen und sie würden wahrscheinlich nichts mit uns zu tun haben wollen. Zudem hat
das alles noch tiefere Gründe. In Thrandor ist die Ausübung von Magie seit fast zwei Jahrhunderten verboten. In diesem Königreich ist die Magie nicht willkommen.«
»Und was ist mit der Magierakademie in Terilla, von der Ihr mir erzählt habt? Sie muss der Magie doch Glaubwürdigkeit verleihen. Warum sind die Leute also so misstrauisch? Und wie kann man etwas für ungesetzlich erklären, das es in den Augen der Leute gar nicht gibt?«, fragte Calvyn sichtlich verwirrt.
»Wie du dich vielleicht erinnern kannst, habe ich dir auch erzählt, dass Terilla in Shandar liegt, wo Magier geachtet werden und die Ausübung der geheimen Künste weithin anerkannt ist. Die Ächtung der Magie ist nun schon so lange in Kraft, dass die Menschen sich daran gewöhnt haben, ohne sie zu leben. Wenn du nun noch bedenkst, dass die meisten wahren Magier sich eher ungern in die Belange der Leute mischen und ihre Studien eher für sich betreiben, dann wirst du auch verstehen, wie die Magie in den Bereich der Mythologie fallen konnte. Es gibt zwar viele Scharlatane, die mit Tricks und Täuschung arbeiten, um die Leute zu belustigen und zu beeindrucken, aber kein echter Magier würde sich zu so etwas hergeben – es sei denn, es kommt ihm zupass, weil er andere Absichten hinter den billigen Tricks von Gauklern verstecken möchte.«
Abgesehen davon, dass er wusste, Terilla und Shandar lagen irgendwo im Norden, konnte Calvyn die beiden Orte auf der Landkarte in seinem Kopf nur verschwommen lokalisieren, also beließ er es dabei. Stattdessen richtete er seine Fragen auf Punkte, die ihm bedeutsamer erschienen.
»Aber warum wird die Magie verboten, Perdimonn? Magier können den Menschen doch sehr viel geben. Denkt doch nur an Eure Heilkräfte.«
»Leider ist nicht alle Magie hilfreich für den Menschen,
und die meisten Leute sind weniger vertrauensselig als du, mein Freund«, antwortete Perdimonn und schüttelte bedächtig den Kopf. »Die Leute haben schon recht, wenn sie uns nicht blindlings vertrauen. Magier können ihre Kräfte genauso gut für das Böse
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