Das Vermächtnis von Thrandor - Das Schwert aus dem Feuer
immer klüger, erst herauszufinden, mit wem man spricht, bevor man ihn beleidigt«, erwiderte Demarr und schritt geradewegs auf den Mann zu.
Der ehemalige Graf war fassungslos über seine eigenen Worte und Taten, aber er schien wenig Kontrolle über sich zu haben. Als würde er ein Schauspiel im Körper eines der Darsteller verfolgen. Er konnte nur zusehen, wie sich das Stück jener Szene näherte, die sich als das blutige Ende der von ihm gespielten Rolle herausstellen würde. Doch die größte Überraschung für Demarr und insbesondere für den glücklosen Wachmann stand noch bevor.
Als Demarr auf die Wache zuschritt, zog der Terachit seinen Krummsäbel, hielt kurz inne und erklärte dann nüchtern: »Zu nah, Hellhaut.«
Demarrs Körper wich nicht zurück, als die Waffe auf ihn zuschoss. Der Talisman jedoch erwachte zum Leben und sprühte blitzähnliche Feuerfunken, die den Wachposten in Flammen aufgehen ließen und ihn von einem Augenblick
auf den anderen in ein Häufchen Asche verwandelten. Der Säbel war zu Boden gefallen und die anderen Wachen waren mit offenen Mündern und fassungslosem Entsetzen zurückgetreten. Den Blick auf den Talisman gerichtet, schüttelte einer der Posten leicht den Kopf, als wollte er die Schuppen vor seinen Augen loswerden. Dann wies er auf den immer noch glühenden Talisman und brüllte lauthals:
»Der Auserwählte! Es ist der Auserwählte! Er ist hier! Er ist hier!«
Schnell hatte sich eine Traube von etwa zweihundert Mann gebildet, denn die Terachiten strömten aus allen Ecken des Lagers herbei, um herauszufinden, warum die Wachen so ein Spektakel veranstalteten. Ein aufgeregtes Raunen fuhr durch die rasch anwachsende Menschenmenge. Obgleich die Nachrückenden nach vorn drängten, um besser sehen zu können, hielten die Terachiten mehrere Schritte Abstand von dem Fremden, der das hell strahlende Symbol der Macht und einen ungeheuren Gleichmut angesichts seiner Lager zur Schau trug.
Demarr hob den rechten Arm, um die Menge zum Verstummen zu bringen, und jene, die ihm am nächsten standen, wichen leicht zurück, weil sie offenbar Angst hatten, von dem Feuer niedergestreckt zu werden, das kurz zuvor den Wachmann vernichtet hatte. Ein unbehagliches Schweigen trat ein.
»Wer ist hier der Anführer?«, rief Demarr laut und deutlich.
Ein hochgewachsener Nomade mittleren Alters schob sich durch die vorderen Menschenreihen und trat vor, um sich Demarr zu zeigen.
»Ich bin Marmel, Oberster Maharl der Adrel.«
»Falsche Antwort«, zischte Demarr. »Du«, schrie er und zeigte auf Ramiff. »Töte ihn. Sofort.«
Ohne zu zögern, ergriff Ramiff sein Schwert und stieß es dem Obersten Maharl durch die Brust. Marmel war zu überrascht, um zu reagieren. Er fiel tot zu Boden, ohne noch einen Laut von sich zu geben.
Demarr durchfuhr eine Welle tiefer Zufriedenheit, während er der Hinrichtung zusah. Das hier war Macht und sie fühlte sich gut an. Er nickte Ramiff anerkennend zu und richtete erneut seine Frage an die Versammelten:
»Wer ist hier der Anführer?«
»Der Auserwählte«, rief Ramiff ihm zu. Ein paar aus der Menge stimmten zögerlich ein.
Mit der Innenseite seiner linken Hand hob Demarr den Talisman leicht von der Brust ab und rief zum dritten Mal:
»Wer ist hier der Anführer?«
»Der Auserwählte!«, brüllten die Versammelten im Chor.
»Und wer bin ich?«
»Der Auserwählte! Der Auserwählte!«, skandierten sie, bis er mit einer Armbewegung für Ruhe sorgte.
»Richtig. Ich bin der Auserwählte und ihr seid mein auserwähltes Volk. Gemeinsam werden wir die Völker vor den Adrel erzittern lassen.«
Die Menge toste vor Begeisterung, stampfte mit den Füßen und nahm ihren Sprechgesang wieder auf.
Jener Tag war der Anfang gewesen, aber nun, fast zwei Jahre später, würde der Aufstieg der Adrel erst richtig beginnen, dachte Demarr, als er seine mit Silberstreifen durchzogene schwarze Ghutra auf den Kopf setzte. Bei seiner Ankunft waren die Adrel nur zweihundert Mann stark gewesen. Jetzt, nachdem sie ein halbes Dutzend kleinere Stämme unterworfen hatten, befehligte Demarr eintausend Krieger. Es war an der Zeit, den großen Stämmen zu zeigen, dass er es ernst meinte.
»Entschuldigt, Herr, aber kennt Ihr jemanden hier in der Gegend, der Arbeit hat?«
Der Kaufmann musterte Calvyn abschätzig von oben bis unten, bevor er sich dazu herabließ, ihm zu antworten. »Und was sollte das für eine Arbeit sein? Verfügst du über irgendwelche Fähigkeiten, von denen ich wissen
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