Das Vermächtnis von Thrandor - Der Pfad der Jägerin
verlieren, sind wir ohne Führung.«
»Großer Tarmin! Das hatte ich gar nicht bedacht!«
»Nun, Sir, dafür habt Ihr ja schließlich Eure Sergeanten. Ich kümmere mich hier oben um alles, Sir, und Ihr dirigiert den Kampf vom Waffenübungsplatz aus, wo Ihr sicher seid. Auf die Art verlieren wir unseren Anführer nicht und Ihr habt das Geschehen vom Pferderücken aus gut im Blick.«
Der Vorschlag war lächerlich, aber etwas Besseres fiel dem Sergeanten in der Eile nicht ein. Der Hauptmann indes fand den Gedanken völlig vernünftig.
»Sehr gut, Sergeant. Ich sattle auf der Stelle mein Pferd.«
»Vielen Dank, Sir.«
Sergeant Dren atmete erleichtert auf, als Hauptmann Risslan zur nächsten Treppe rannte, die zum Innenhof der Burg führte.
»Bei Tarmin, zum Teufel mit diesen Schlappschwänzen«, murmelte Dren.
Dass der Baron den jungen Risslan zurückgelassen hatte, war für Dren nicht sonderlich überraschend gekommen. Erstaunlich hatte er es allerdings gefunden, dass Keevan seine Burg in die Hände dieses unfähigen Hauptmanns gelegt hatte, ohne ihm zumindest einen zweiten Hauptmann an die Seite zu stellen. Doch Hauptleute, zumal gute, waren Mangelware, denn der Nachwuchs wurde nicht etwa aufgrund seiner Führungsqualitäten zum Hauptmann ernannt, sondern aufgrund seiner Herkunft. Nur eine Handvoll Offiziere hatte sich durch die Ränge nach oben gearbeitet und sie schafften es nie in die höheren Offiziersränge. Dren hatte nie begreifen können, warum ein so intelligenter und in vielerlei Hinsicht fortschrittlicher Mann wie der Baron nicht endlich Schluss machte mit dieser unsinnigen Tradition.
Doch Dren hatte keine Zeit, über die Beweggründe des Barons nachzudenken. Er musste den Soldaten ihre Plätze auf der Burgmauer zuweisen. Barsch knurrte er den neu
ankommenden Soldaten seine Befehle zu, machte ihnen aber auch mit aufmunternden Worten Mut. Die Rekruten, die er losgeschickt hatte, die Waffen zu holen, kehrten zurück, die Arme voller Bögen, Pfeile und Schwerter, die nun rasch verteilt wurden. Kaum hatte sich Dren ein Schwert genommen, da verkündete lautes Kriegsgebrüll vor der Mauer den Beginn des Kampfes.
»Bogenschützen – fertig!«, brüllte Dren. »Und … Schuss.«
Ein Hagelschauer aus Pfeilen ergoss sich über die Reihen des Feindes. Manche Geschosse fanden ihr Ziel. Dennoch setzte die feindliche Horde ihren Angriff unbeirrt fort.
»Fertig – Schuss.«
Wieder flogen die Pfeile gegen die Feinde aus Shandar. Diesmal allerdings schossen sie zurück und die Bolzen der Armbrüste prasselten gegen die Brustwehr. Ein Schrei aus den Reihen der Verteidiger verriet, dass es auch hier ein erstes Opfer gab. Einer der Rekruten fiel auf den Rücken, beide Hände an dem Bolzen, der sich tief in seine Schulter gebohrt hatte.
Die Horde der shandesischen Angreifer gelangte unten an die Burgmauer, und nun war ein vielstimmiges Klappern zu vernehmen, denn mehrere Dutzend Sturmleitern wurden an die Brustwehr gestellt. Einige der unerfahrenen Verteidiger wollten die Leitern gleich wieder wegstoßen und setzten sich so einem weiteren Beschluss durch feindliche Armbrüste aus.
»Langsam, Leute«, brüllte Dren. »Bogenschützen, schießt, was ihr könnt. Die anderen töten die Angreifer, wenn sie oben an der Leiter ankommen. Hin und wieder könnt ihr auch eine Leiter wegstoßen. Man kann nicht gleichzeitig eine Leiter hochklettern und kämpfen, also nutzt euren Vorteil.«
Trotz der heulenden Rufe der Shandeser war Drens donnernde
Stimme bis zum letzten Soldaten auf der Burgmauer zu hören. Die Rekruten befolgten alle Anweisungen genau. Dren eilte zu der Sturmleiter, die ihm am nächsten war, und stieß mit dem Schwert nach dem ersten shandesischen Kämpfer, der vor ihm auftauchte. Mit einem Schrei stürzte der dunkelhäutige Soldat rückwärts von der Leiter. Beim Blick über die Burgmauer gefror Sergeant Dren das Blut in den Adern. Hinter der angreifenden Streitmacht waberte eine gewaltige Wolke aus unnatürlich schwarzem Rauch über dem Feld. Im Bruchteil einer Sekunde erkannte Dren gleich mehrere Dinge, die merkwürdig waren: Erstens gab es zu dem Rauch kein Feuer, zweitens breitete es sich rasant aus und drittens zog er gegen den Wind. In kürzester Zeit würde er unweigerlich die Burgmauer einhüllen.
»Großer Tarmin!«, fluchte Dren. »Die haben einen ihrer verdammten Magier dabei!«
1
»Bringt ihn in die Stadt. Ich kann bei diesem Anblick keinen klaren Gedanken fassen«, befahl König Malo und
Weitere Kostenlose Bücher