Das Vermächtnis von Thrandor - Der Pfad der Jägerin
nicht einmal, ob man Calvyn überhaupt helfen kann.«
Jenna öffnete den Mund, um etwas zu sagen, brachte aber keinen Ton heraus. Erst die Magier, und jetzt auch noch Zauberer und Dämonen. Das Ganze wurde immer absonderlicher.
»Es gibt noch ein Fünkchen Hoffnung«, sagte Perdimonn nach einer langen Pause.
»Und die wäre?«, fragte Jenna wie betäubt.
»Ich glaube, der Dämon ist noch nicht in seine Welt zurückgekehrt, denn eine schwache Spur führt noch zu Calvyns Seele. Ich kann nur keine Verbindung aufnehmen, weil sie sich nicht mehr in seinem Körper befindet«, sagte Perdimonn nachdenklich. »Der Dämon muss denen, die ihn gerufen haben, entkommen sein.«
»Warum ist das eine Hoffnung? Das verstehe ich nicht«, sagte Jenna verzagt.
»Weil es vielleicht möglich ist, den Dämon zu töten und Calvyns Seele zu befreien, deshalb. Dann kann sie in seinen Körper zurückkehren«, sagte Perdimonn entschieden. Mit einem aufmunternden Lächeln legte er die rechte Hand auf ihre und drückte sie sanft. »Ich habe das Gefühl, das ist dein Schicksal, Jenna. Hier hat eine höhere Macht ihre Hände im Spiel. Du musst den Dämon verfolgen und töten, ehe er aus freien Stücken in sein Reich zurückkehrt, denn das wird er am Ende tun. In diesem Fall wäre Calvyn für immer verloren.«
Jenna blickte in das freundliche Gesicht des alten Mannes. Das also war die Jagd, das musste sie sein. »Deine Beute ist die gefährlichste aller Zeiten«, hatte die alte Seherin gesagt. Ein mächtiger Dämon kam dieser Beschreibung recht nahe.
»Du meinst wohl ›unser Schicksal‹, Perdimonn. Immerhin war Calvyn dein Schüler. Du wirst ihn doch nicht im Stich lassen, oder?«, fragte Jenna überrascht.
Perdimonn rutschte verlegen hin und her und wich Jennas Blick aus.
»Ich weiß, das wird dir nicht gefallen, aber Calvyn ist im Moment nicht meine einzige Sorge. Selkor hat das Amulett vermutlich bereits ausbessern lassen, und nur Tarmin weiß, was er vorhat. Deshalb muss ich dich mit Calvyns Rettung betrauen, Jenna. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als mit dir zu gehen, aber ich würde es gewiss bereuen und viele
andere mit mir. Wenn ich mich nicht sehr täusche, fällt diese Aufgabe dir zu. Du bist auch eine viel bessere Jägerin als ich.«
Jenna sah Perdimonn bei dem Wort »Jägerin« erstaunt an. Doch sie war nicht bereit, sich die Suche nach einem Dämon völlig widerspruchslos aufs Auge drücken zu lassen.
»Du lässt Calvyn im Stich, um dich mit einem Magier anzulegen, der dich wie eine lästige Fliege zermalmen kann? Was bist du eigentlich für ein Lehrmeister? Hat Calvyn das verdient?«, fragte sie verärgert.
Perdimonn lief rosarot an.
»Nein, natürlich nicht, aber ich habe keine Wahl. Ich kann Selkor nicht allein besiegen, deshalb muss ich mich um Hilfe kümmern, und zwar schnell. Wenn Selkor erst in die Tiefen der Macht vordringt, die sich in diesem Amulett verbirgt, dann ist bald die ganze Welt in Gefahr. Glaube mir, Jenna, ich wünschte, es wäre anders, aber ich kann nicht mit dir kommen.«
»Kannst du mir dann wenigstens einen magischen Spruch mitgeben, mit dem ich den Dämon töten kann? Eine Waffe, mit deren Hilfe ich Calvyns Seele befreien kann?«
»Na ja … äh … nein, leider nicht«, sagte Perdimonn verlegen.
Jenna zog die Hand weg und aus ihren Augen blitzten Wut und Enttäuschung.
»Du verstehst nicht«, vor Perdimonn rasch fort. »Bei dem Dämon, der Calvyns Seele verschlungen hat, handelt es sich um einen Gorvath. Zaubersprüche können ihm nichts anhaben. Allerdings könnte ich dir ein magisches Hilfsmittel anfertigen, das dir helfen wird, ihn aufzuspüren.«
Jenna war nicht so schnell zu besänftigen. »Und angenommen, das Ding führt mich zu dem Dämon – wie töte ich ihn?«
»Ehrlich gesagt, Jenna, ich habe keine Ahnung. Ich weiß wenig über Dämonen. Aber eine Warnung möchte ich dir mit auf den Weg geben: Egal was geschieht, sieh dem Gorvath nie, nie in die Augen! Gorvaths unterwerfen sich ihre Opfer mit einer Art Hypnose. Richte den Blick auf Brust, Arme, alles, nur nicht auf die Augen. Sonst bist du verloren. Ach ja, und du musst wissen, dass der Gorvath ein Formwandler ist. Er kann jede von ihm gewünschte Gestalt annehmen. Allerdings nicht zu oft, weil jeder Wandel ihn viel Kraft kostet.«
Jenna sank in sich zusammen und versuchte kopfschüttelnd, diese letzte Wendung der Ereignisse zu verarbeiten. Die alte Frau auf dem Markt hatte Jenna die »Jägerin« genannt und sie
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