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Das Vermächtnis von Thrandor - Der Pfad der Jägerin

Das Vermächtnis von Thrandor - Der Pfad der Jägerin

Titel: Das Vermächtnis von Thrandor - Der Pfad der Jägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Robson
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hatte, hatte sie sich rasch verabschiedet und war schlafen gegangen.
    »Ich wette, du verfluchst den Tag, an dem du mir begegnet
bist«, sagte Jenna zähneklappernd zu der großen Apfelschimmelstute. Das Kletterseil, das sie mitgenommen hatte, diente ihr als Führstrick. Jenna fragte sich, ob es nicht besser gewesen wäre, das Pferd vor dem letzten Aufstieg an einer geschützten Stelle zurückzulassen.
    Dass sie den Berg aus ihrem Traum bestieg, dessen war sich Jenna vollkommen sicher. Auf den vielen einsamen Meilen ihrer Wanderung war das ihr einziger Trost gewesen: dass ihr alles so vertraut schien. Natürlich sahen die Landmarken vom Boden besehen anders aus und die Schneeschauer hatten ihr in den letzten Tagen die Orientierung zusätzlich erschwert. Doch gemessen daran, dass sie – zumindest in wachem Zustand – noch nie in ihrem Leben in diesem Teil der Welt gewesen war, kam ihr alles unfassbar bekannt vor. Da sie das Ziel ihrer Reise unmittelbar vor Augen hatte, wollte sie sich auch nur ungern von dem Pferd trennen.
    »K…k…komm. G…g…gleich da.«
    Sie zog den Mantel noch enger um den Körper und setzte einen Fuß vor den anderen, immer weiter den Berg hinauf. Der eisige Wind schnappte immer wütender nach ihr. Der Pfad wand sich in großen Schleifen dem Gipfel entgegen. Da sie das Pferd dabei hatte, musste Jenna immer den einfacheren, aber auch längeren Weg wählen.
    Die Wanderung schien kein Ende zu nehmen. Jedes Mal, wenn Jenna meinte, den Gipfel erreicht zu haben, wartete der nächste Aufstieg auf sie und dann noch einer. Die Kälte war mittlerweile in jede Faser ihres Körpers gekrochen, und sie konnte sich nicht vorstellen, jemals wieder warm zu werden. Doch obwohl der Wind sie grimmiger umtoste denn je und ihr die Schneeflocken wie Nadelstiche ins Gesicht stachen, überkam Jenna plötzlich eine warme Mattigkeit.

    In Jenna machte sich Gleichgültigkeit breit und ihr Schritt verlangsamte sich zu einem schwankenden Schleichen. Musik erfüllte sie, einschläfernde, traumartige Musik, und eine innere Stimme forderte sie auf, haltzumachen, sich hinzulegen, diesen sinnlosen, aberwitzigen Aufstieg abzubrechen und sich dem längst überfälligen Schlaf hinzugeben.
    Jenna kippte fast um, als das Pferd sie von hinten ins Kreuz stupste. »Du hast recht, altes Mädchen«, murmelte sie. Ihre Lippen waren so kalt, dass sie sich kaum noch bewegen ließen. »Schlafen können wir später. Erst bringen wir es hinter uns.«
    Vielleicht war es Minuten später, vielleicht auch Stunden, doch endlich stolperte Jenna über den letzten Absatz des letzten Anstiegs. Vor ihr stand stolz der graue Monolith. Immer noch wirbelten Schneeflöckchen durch die Luft, doch abgesehen von einer kleinen Schneewehe, die sich an der windabgewandten Seite des Felsens gesammelt hatte, lag auf dem Berggipfel kaum Schnee.
    Jenna war alles einerlei. Der Schnee, der Wind, die Kälte, ihr Pferd – nichts spielte noch eine Rolle. Der Felsen war ihr Ziel. Hier war er, der Monolith aus ihrem Traum, und wenn sie auf diesem kahlen und einsamen Berggipfel sterben sollte, so war sie zumindest an ihr Ziel gelangt.
    Jenna taumelte über den leicht abfallenden Weg zu dem grauen Felsblock, zwang ihre müden Beine über die letzten Meter und warf sich mit einem Schrei gegen den Stein. Ihre Hände konnten die Wucht des Sturzes nur leidlich abfangen, Gesicht und Körper schmetterten gegen den Fels und dann umfing sie den Stein mit ausgebreiteten Armen.
    Jenna spürte keinen Schmerz.
    Sie war müde, so müde.
    Benommen spürte Jenna, wie jemand mit den Händen
gegen ihre stieß und sie auffing, als sie nach hinten umfiel. Unfähig, noch zwischen Wirklichkeit und Traum zu unterscheiden, ließ sie sich bereitwillig in die sanften Arme der Ohnmacht sinken.
    Jenna erwachte von einem Gefühl wohliger Wärme. Es war nicht die trügerische Wärme, die ihr Körper ihr in der letzten Phase des Aufstiegs vorgegaukelt hatte. Als sie die Augenlider öffnete, war sie deshalb überrascht, sich in derselben Umgebung wiederzufinden wie in den letzten Sekunden, in denen sie noch bei Bewusstsein gewesen war.
    Jenna lag nur wenige Schritte von dem großen Felsbrocken entfernt. Noch immer fegte der Wind den Schnee über den Gipfel, doch nun wurde er um die Stelle, an der sie lag, herumgeleitet. Eine etwa zwölf Schritt große durchsichtige Blase aus gänzlich unbewegter Luft bot ihr einen merkwürdig unnatürlichen Schutz vor dem wütenden Schneesturm. Abgesehen vom Atmen des

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