Das Vermächtnis von Thrandor - Die silberne Klinge
hatten an seiner Ausdauer und Kraft gezehrt. Nach zwei Runden war er vollkommen außer Atem und in seinen Armen brannte der Schmerz. Er war nur froh, dass seine beiden Kämpfe an diesem Tag nicht lange gedauert hatten. Im Nachhinein wurde ihm klar, dass er bei einer längeren Auseinandersetzung mit einem ausgebildeten Kämpfer nicht mit dem Leben davongekommen wäre.
Ab dem Moment, da ihm das Atmen schwer wurde, hielt Bek nur noch Entschlossenheit in Bewegung. Runde um Runde, die sie im Kreis trabten, biss er die Zähne zusammen und zwang seine widerwilligen Muskeln durch die mörderische Serie von Übungen. Der Pfahl sollte mal vor der Brust und dann wieder hinter dem Hals gehalten werden. Von Zeit zu Zeit mussten die Männer ihn von Schulterhöhe so weit wie möglich über den Kopf stemmen und wieder zurück, dann sollte er den Boden berühren und wieder hochgehoben werden. Der langsame Laufschritt jedoch wurde bei jeder Übung beibehalten und gab den Rhythmus vor.
Endlich, als Bek gerade dachte, er könne es nicht länger aushalten, gab der Ausbilder den Befehl zum Stehenbleiben. Nach dieser Qual überkam ihn eine Welle der Erleichterung, aber sie hielt nur kurz an. Bevor Bek zu Atem kam, wurde die Folter mit Dehnübungen fortgeführt, die noch schlimmer waren als der Lauf. Jeder Teil seines Körpers schmerzte. Jede einzelne Faser in jedem einzelnen Muskel schrie nach Erlösung von der gnadenlosen Strafe, die sie erdulden musste. Sogar
in den Knochen pochte dumpf der Schmerz, und Bek kam es vor, als würde er sich nie wieder von dieser Misshandlung seines Körpers erholen können.
»Also, meine Herren, entspannt euch«, sagte der Ausbilder ganz unerwartet.
Bek ließ sich sogleich zu Boden fallen und ein tiefes Stöhnen kam über seine Lippen, obwohl er verzweifelt bemüht war, nicht zu zeigen, wie schlecht es ihm ging.
»Ah! Der Neue! Was sagst du zu unseren Aufwärmübungen, Thrandorier?«
»Aufwärmübungen?« Bek schluckte. Seine Stimme konnte nicht verhehlen, wie absurd er die Bezeichnung fand. »Äh … äußerst effektiv …«
Der Ausbilder musterte ihn mit einem Grinsen, das auch zu einem großen Raubtier gepasst hätte.
»Schön. Freut mich, dass du so denkst. Falls du es noch nicht wissen solltest: Ich heiße Hammar. Ich bin hier der Waffenmeister. Meine Aufgabe ist es, dich und all die anderen hier zu den besten Arenakämpfern der Welt zu machen. Also gut – nun, da ihr ausreichend aufgewärmt seid, lasst uns mit dem eigentlichen Training beginnen.«
4
Das Schiff schlingerte und stampfte und warf sich hin und her wie eine Schwangere, die keinen Schlaf fand. Perdimonn verfluchte sein Schicksal. Bei seiner Ankunft in der shandesischen Hafenstadt Sevra war das einzige Schiff, das nach Kaldea in See stach, dieses Fass von einem Handelsschiff gewesen, das sich durchs Wasser kämpfte wie
durch zähen Brei. Perdimonn knirschte verärgert mit den Zähnen und war ernsthaft versucht, sich in einen Seevogel oder Delfin zu verwandeln, um schneller voranzukommen. Aber immer wenn er sich den komplizierten magischen Spruch zur Änderung der Gestalt ins Gedächtnis rief, schrak sein Verstand zurück, da er sich an die vergangenen, um ein Haar verheerend ausgegangenen Versuche erinnerte. Ein Gestaltenwandel wäre wirklich nur der letzte Ausweg, und Perdimonn wollte keine tollkühnen Sprüche wagen, wenn nicht sicher war, dass dabei etwas Sinnvolles herauskam.
Perdimonn hatte den Hohen Rat der Großmagier in Terilla befragt und erfahren, dass Selkor schon vor ihm dort gewesen war. Es gab keinen Zweifel mehr daran, dass es Selkor gelungen war, Darkweavers Amulett zu reparieren, und er nun die dunkle Magie des Talismans für seine Zwecke ausnutzte.
Selkor hatte immer nach Macht gegiert. Seit Perdimonns erster Begegnung mit dem Magier aus Shandar war diese Machtgier gewachsen, bis sie loderte wie ein tobendes Feuer, das vor nichts haltmachen würde, um seinen Hunger zu stillen. Der böse Einfluss von Darkweavers Amulett würde dieses brennende Verlangen nähren und verstärken, bis es alles andere verdrängte. Selkor war auf dem besten Weg in eine Hölle auf Erden, doch ihm selbst war seine prekäre Lage bestimmt nicht bewusst.
Perdimonn hielt sich an der hölzernen Reling am Bug des Schiffes fest und blickte auf das aufgewühlte graugrüne Wasser des Ostmeers. Irgendwo da draußen lag Kaldea, die Vulkaninsel, wo Arred sich niedergelassen hatte. Falls Perdimonn richtig lag – und er war zu beinahe hundert
Weitere Kostenlose Bücher