Das Vermächtnis von Thrandor - Die silberne Klinge
das ihr geführt habt, bevor ich mich euch aufgedrängt habe.«
»Du hast dich doch nicht …«
»War nur ein Scherz, Kerys.«
Jenna stand auf, zog Kerys an sich und umarmte sie.
»Ich habe euch so viel zu verdanken, und ich finde es schrecklich, dass ich euch nun verlasse, aber du hast recht – ich kann Perdimonns Ruf nicht ignorieren. Leider habe ich keine Ahnung, wohin ich mich wenden soll.«
In diesem Augenblick trat Gedd durch die Tür, mit Jennas prall gefülltem Bündel über der Schulter.
»Eine Jägerin weiß immer, wohin sie zu gehen hat«, sagte
er, und sein hageres Gesicht verzog sich zu diesem Grinsen, das immer so fehl am Platz wirkte. »Das ist der Instinkt. Irgendwo da draußen ist die Beute, und die wahre Jägerin nutzt ihr Wissen über die Natur und ihre Beute, um ans Ziel zu gelangen.«
»Ich habe nicht vom Jagen gesprochen, Gedd.«
»Natürlich hast du das. Das Leben ist eine einzige lange Jagd. Was ist das also für ein Ort, den du nicht finden kannst?«
»Kein Ort. Eine Person«, erwiderte Jenna und kam sich dumm vor, noch während sie es sagte.
»Na also! Eine Jagd! Was habe ich gesagt? Was weißt du über diese Person, die du jagst? Wo war sie, als du sie das letzte Mal gesehen hast? Wo würdest du sie normalerweise vermuten? Mit wem ist sie zusammen?«, bohrte Gedd nach, und in seinen Augen blitzte Belustigung.
»Das letzte Mal habe ich ihn im Vorgebirge der Vortaff-Berge getroffen. Da war er auf dem Weg nach Terilla«, antwortete Jenna. Ihr wurde sofort klar, dass Terilla ihr erstes Ziel sein würde.
»Terilla ist ganz schön weit weg«, erklärte Gedd nachdenklich. »Hat er gesagt, wie lange er dort bleibt?«
Jenna schüttelte den Kopf. »Nein. Er hat gemeint, er müsse eine Botschaft überbringen, aber er hat nichts darüber gesagt, wohin er als Nächstes geht«, erklärte sie und suchte in ihrer Erinnerung nach irgendwelchen Bemerkungen, die Perdimonn fallen gelassen haben könnte.
»Weißt du, wem er die Botschaft überbringen wollte?«, erkundigte sich Gedd.
»Ja.«
»Dann weißt du, wo du deine Jagd beginnen musst. Du bist eine einfallsreiche junge Frau, Jenna. Du wirst die Person finden, die du suchst, da bin ich sicher. Und jetzt iss. Dein Frühstück wird kalt und man sollte die Jagd immer mit einem guten Essen beginnen.«
Jenna musste reumütig lächeln, als sie wieder am Tisch Platz nahm. Gedds Bemerkungen klangen alle durch und durch logisch, aber er kannte nicht die ganze Wahrheit. Wenn sie sich mit einem Namen bewaffnet nach Terilla begeben würde, um eine bestimmte Person zu suchen, wäre Jenna sich ihres Erfolgs auch sicher gewesen. Aber sie sollte ja den Hohen Rat der Magier ausfindig machen, und wenn dieser nicht gefunden werden wollte, würde Jenna ihr Leben lang vergeblich durch die Straßen von Terilla streifen.
»Aber es bringt gar nichts, bereits aufzugeben, bevor man es versucht hat«, ermahnte sie sich selbst, während sie ihr Frühstück aufaß. »Vielleicht ist es gar nicht so schwer. Schließlich ist Perdimonn eine ziemlich auffällige Erscheinung. Irgendjemand muss ihn doch gesehen haben.«
Als Jenna ihre Schüssel gerade leer gegessen hatte, trat Alix in die Küche. Das Mädchen bemerkte augenblicklich den prallen Reisesack an der Tür und riss vor Schreck die Augen auf.
»Du gehst doch nicht?«, fragte sie ängstlich. »Sag, dass du nicht gehst!«
Jenna sah Alix an und dem Mädchen traten Tränen in die Augen, denn es kannte die Antwort bereits.
»Du darfst nicht gehen!«, heulte es verzweifelt. »Du bist noch nicht fertig damit, mir das Bogenschießen beizubringen. Du hast es versprochen …«
»Ich wollte dieses Versprechen auch halten. Glaub mir, Alix. Aber dein Vater wird zu Ende führen, was ich begonnen habe. Er ist sowieso der bessere Jäger. Du wirst Dinge von ihm lernen, die ich dir nie beibringen könnte.«
»Nein! Bitte nimm mich mit. Ich kann dir helfen. Ich werde dir bestimmt nützlich sein und keinen Ärger machen«, bettelte Alix herzzerreißend.
»Alix, denk mal kurz nach, und dann weißt du, warum ich dich nicht mitnehmen kann: Du wirst hier mehr denn je
gebraucht, wenn ich weg bin. Ich weiß, dass du nach Abenteuern dürstest und fremde, aufregende Orte kennenlernen möchtest, aber deine Zeit ist noch nicht gekommen. Ich bin sicher, wenn es so weit ist, werden dich deine Eltern mit ihrem Segen gehen lassen. Aber jetzt noch nicht. Du bist sehr jung – und sehr tapfer. Du hast noch genug Zeit und genug Tatkraft, um
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