Das Vermächtnis von Thrandor - Die silberne Klinge
Ende der Stufen lauschte Derra kurz auf ihre Verfolger. Ihre hämmernden Schritte auf der Treppe waren klar zu hören. Die Wachen waren ihnen noch auf den Fersen.
Eloise und Fesha hatten nun einen kleinen Vorsprung vor Derra und hetzten schon durch den Korridor, der zum nächsten Treppenaufgang führte. Derra biss die Zähne zusammen und setzte ihnen nach. Als hinter ihnen plötzlich ein Rufen ertönte, wussten sie, dass die Wachen sie wieder im Blickfeld hatten, und Derra sah sich um, weil sie wissen wollte, wie viele es waren. Gerade in diesem Moment öffnete sich genau vor ihr eine Seitentür und Derra rannte in vollem Tempo dagegen.
Sie sah einen kurzen Moment Sterne, alles drehte sich, dann schlug sie schwer hin. Derra blieb keine Zeit für Gedanken oder Befürchtungen, denn das tintenschwarze Dunkel der Bewusstlosigkeit umschloss sie noch im Fallen.
Calvyn knirschte verärgert mit den Zähnen. Er war zum dritten Mal innerhalb weniger Tage mit einem Meister aneinandergeraten, obwohl er alle Aufgaben, die ihm gestellt worden waren, mit Bravour gelöst hatte und fleißiger gewesen war als seine emsigsten Mitstudenten. Es war einfach ungerecht.
Dieses Mal war es sogar noch unverständlicher als bei den beiden vorangegangenen Zwischenfällen. Calvyn hatte bewiesen, dass er fähig war, zum Unterricht in angewandter
Magie zu wechseln, indem er innerhalb einer knappen Woche mehrere Prüfungen bestanden hatte. Das, so dachte Calvyn, müsste ihm doch die Anerkennung der Meister einbringen. Aber unerklärlicherweise war es nicht der Fall. Er hatte immer bis spät in die Nacht gelesen, bis er dachte, seine Augen würden bluten, und sein Kopf war zum Platzen voll mit Geschichte, Geografie und Naturwissenschaft. Doch trotz seines Elans, seiner Begeisterung und seiner enormen Aufnahmefähigkeit bekam Calvyn ständig aus diesem oder jenem Grund mit den Meistern Ärger.
Zweifellos war der Umstand, dass Großmagier Jabal für ihn eingetreten war und erklärt hatte, Calvyn sei bereit für den Unterricht in angewandter Magie, obwohl er noch nicht alle Eignungstests bestanden hatte, Teil des Problems. Die Mehrheit der anderen Meister war der Ansicht, Calvyn solle die gesamte Ausbildung genau wie jeder andere Adept durchlaufen und sämtliche Kurse besuchen. Dass ein Schüler seine Studienzeit durch bereits erlangtes Wissen verkürzen könnte, lag außerhalb ihrer Vorstellung. Und dass ein Neuzugang, der noch nicht alle Prüfungen bestanden hatte, zum Unterricht in angewandter Magie zugelassen wurde, rief viel Stirnrunzeln und Kopfschütteln hervor.
Einige Mitschüler mieden Calvyn auch, da er in ihren Augen eine Vorzugsbehandlung erhielt. Gerade jene, die jahrelang studiert hatten, um alle Prüfungen zu bestehen, die für die Zulassung zum praktischen Teil der Ausbildung erforderlich waren, sahen es ungern, dass er ihren Unterricht besuchte. Mit dieser Reaktion hatte er gerechnet und so ließ sich Calvyn vom kühlen Empfang seiner Mitschüler nicht allzu sehr beeindrucken.
Meister Jabal hatte erklärt, es sei ganz einfach notwendig, Calvyn Unterricht überspringen zu lassen, denn Calvyn wüsste, wie man einfache magische Formeln bilde, und wenn man ihn zwingen würde, vorerst nur Theorie zu lernen, brächte
man ihn nur dazu, seine magischen Fähigkeiten im Geheimem zu erproben. Diese Argumentation hatte sich als sehr schlagkräftig erwiesen und Calvyn war zum praktischen Unterricht bei Meister Chevery zugelassen worden. Die erste Stunde in angewandter Magie war auch recht erfolgreich verlaufen, aber unglücklicherweise schon die zweite zur totalen Katastrophe geworden.
Und der ganze Ärger entstand auch noch wegen einer Angelegenheit, die Calvyn vollkommen lächerlich erschien. Den Studenten war die Aufgabe gestellt worden, das einfache Muster eines Illusionszaubers zu erlernen und bis zur nächsten Stunde eine passende Illusion vorzubereiten. Das tat Calvyn auch, aber er verstand nicht, warum ein Magier eine so komplizierte Methode zum Aufbau eines Trugbilds verwendete. Selbst ein Novize der Zauberkunst würde mit einer einzelnen Gedankenwelle genau die gleiche Wirkung erzielen. Die Illusion der Magie konnte zwar ununterbrochen aufrechterhalten werden, während das Bild in der Zauberkunst nur so lange Bestand hatte, wie man es mit Gedanken umrankte, doch es erschien Calvyn eine unendliche Kraftverschwendung für eine so verhältnismäßig einfache Sache.
Calvyn hatte seinen Spruch sorgsam vorbereitet. Mit seinem Wissen
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