Das Vermächtnis von Thrandor - Die silberne Klinge
war nicht unbequem und Derra hatte die vergangenen sechs Tage nicht nur damit verbracht, ihr geschwollenes linkes Auge ausheilen zu lassen. Der Raum bot viel Bewegungsfreiheit und so hatte Derra ihren Körper mehrere Stunden pro Tag hart rangenommen. Von hier zu entkommen, würde kaum ohne einen Kampf möglich sein, dachte sie. Also war es nur sinnvoll, sich auf diesen Umstand so gut es ging vorzubereiten.
Derras tägliche Übungen sollten nun tatsächlich nicht vergebens gewesen sein. Obwohl die Sergeantin sich eigentlich darauf vorbereitet hatte, sich durch die Gänge nach draußen zu kämpfen, würde ihr Entschluss, fit und kampfbereit zu sein, sich auch bei einem Kampf in der Arena bezahlt machen.
Die Männer waren ausgezeichnete Schwertkämpfer, das hatte Derra während der Spiele letzte Woche zur Genüge beobachten können. Sie wirkten gestählt und kräftig. In dieser Hinsicht war Derra im Nachteil, denn sie war zwar trainiert, erfahren und schnell, aber sie würde nie genug Muskeln ansetzen, um es mit der rohen Kraft dieser Kerle aufnehmen zu können. »Trotzdem«, dachte sie und ein stilles Lächeln hob ihre Mundwinkel, »wenn es seit hundert Jahren keine Kämpferin in der Arena gab, dann ist es wohl eher unwahrscheinlich, dass der Mann, dem ich gegenüberstehe, schon einmal gegen eine Frau gekämpft hat.« Dieser Umstand brachte gewisse Vorteile mit sich.
Über den Gang näherte sich das Dröhnen von Stiefeln, das vor Derras Tür stoppte. Ein Schlüssel rasselte im Schloss und die Tür ging auf. Dieses Mal standen zwei Wachen vor der Tür. Der Mann, der ihr die Kampfausrüstung gebracht hatte, trat in den Raum und musterte sie anerkennend.
»Nicht schlecht«, kommentierte er schroff und winkte sie in den Gang. »Los jetzt! Beeilung! Wir wollen Garvin nicht
warten lassen. Was Pünktlichkeit angeht, ist er sehr eigen. Die Strafe für Zuspätkommen ist äußert hart und kann in manchen Fällen tödlich enden.«
Derra wurde im schnellen Lauf durch die Gänge getrieben. Der Lärm der Menge über ihnen mit seinen Jubelschreien und Buhrufen drang in Wellen zu ihnen, wurde über die Treppen gespült und verteilte sich in den Gängen. Als sie schließlich die letzten Stufen nach oben erklommen, wurde das Tosen immer lauter. Bilder von den Kämpfen der vergangenen Woche tauchten in ihrem Kopf auf und Derra sprach sich mit dem Gedanken Mut zu, dass sie selbst von ihrem Sitzplatz hoch oben auf der Tribüne Schwachstellen bei den Kämpfern bemerkt hatte. Selbst Serrius war nicht frei von Fehlern, denn Jez war es immerhin gelungen, dem Mann eine Schnittwunde im Gesicht zuzufügen. Allerdings hatte Serrius auf diesen Hieb eindrucksvoll reagiert, und Derra spürte kein Verlangen, auf einen Schwertkämpfer wie ihn zu treffen. Mit einer solchen Begegnung beschwor man den Tod genauso herauf wie mit einer Schlacht, die man vollkommen in der Unterzahl und ohne die kleinste Siegeschance begann. Derra ahnte, dass sie eher heil aus einer solchen Schlacht kommen würde, als einen Zweikampf mit Serrius zu überleben.
Sie erreichten den Vorplatz der Kämpfer mit dem großen Holztor, das sich zur Arena öffnete. Drei Männer warteten darauf, den Kampfplatz zu betreten, und verbargen auf verschiedene Weise ihre Unruhe. Einer saß scheinbar gelassen auf einer Bank, doch die Art, wie sein Blick zum Tor schoss, sobald der Jubel aufbrauste, ließ seine Anspannung nur allzu deutlich erkennen. Ein weiterer war mit Aufwärmübungen beschäftigt, während der dritte für alle erkennbar betete. Bek war nicht zu sehen.
Derra wandte sich der Wache zu, die ihr die Lederrüstung gebracht hatte, und erkundigte sich, gegen wen der drei sie kämpfen würde.
»Gegen keinen von ihnen«, erwiderte die Wache verärgert, als sei ihre Unkenntnis beleidigend. »Du gehst da durch das Tor und dein Gegner kommt von woanders.«
Jetzt erinnerte sich Derra, dass es in der vergangenen Woche tatsächlich so gewesen war. Vielleicht waren die drei Männer deswegen so nervös. Nicht zu wissen, ob man auf einen Anfänger oder einen Meister im Schwertkampf treffen würde, konnte selbst den erfahrensten Kämpfern schwer zusetzen. Auch Derra beeinträchtige diese Ungewissheit, doch sie unterdrückte ihre Aufregung nicht. Eine gesunde Anspannung würde ihre Sinne schärfen, und wenn sie nicht zuließ, dass das Gefühl sie überwältigte, würde sich die zusätzliche Energie, die aus der Nervosität entsprang, im Kampf günstig auswirken.
Draußen in der Arena
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