Das Vermächtnis von Thrandor - Die silberne Klinge
ihren Gegenangriff entwickelt, traf das Wams des Mannes und fügte ihm einen tiefen Schnitt am Oberarm zu.
Der Kämpfer wich kurz zurück und in seinen Augen spiegelte sich neuer Respekt vor seiner Gegnerin. Genau in diesem
Moment spielte Derra ihren Trumpf aus. Blitzschnell wechselte sie das Schwert in die linke Hand und den Dolch in die rechte und ging zum Angriff über, bevor der Mann sich den neuen Gegebenheiten anpassen konnte.
Die folgenden Sekunden waren kein schöner Anblick. Derra schnitt dem Kämpfer mehrmals in den Schwertarm, und dann gelang es ihr, ihm den Dolch durch das Lederwams in die Seite zu stoßen. Die Wunde war nicht tödlich, aber sie setzte den Kämpfer außer Gefecht. Er konnte sich nicht mehr wirklich aufrecht halten, denn der Schmerz ließ sich nicht ignorieren. Er trat zurück, salutierte, legte zum Zeichen, dass er sich ergab, sein Schwert zur Seite und presste die Hände auf seine Wunde. Blut sickerte in einem steten Fluss durch seine Finger.
»Lass das lieber vom Wundarzt versorgen«, brummte Derra. Ihre krächzende Stimme klang rau und streng.
Der Mann nickte, aber Derra hatte ihm schon den Rücken zugekehrt und schritt auf das hölzerne Tor zu, durch das sie die Arena betreten hatte. Sie wurde eingelassen und die Wachen begegneten ihr mit vorsichtigem Respekt. Es hatte keinen Sinn, jetzt einen Fluchtversuch zu starten. Da waren mehrere Wachen und Derra fühlte sich von dem Kampf in der Arena emotional und körperlich erschöpft. Sie erkannte, wie sinnlos Widerstand jetzt wäre, und gab die Waffen bereitwillig zurück.
Bevor sie durch das Gewirr der Gänge zurück zu ihrer Zelle geführt wurde, entdeckte sie Bek auf dem Vor platz auf einer Bank an der Wand. Er saß schweigend, mit finsterer Miene da und sein Blick wirkte kalt und tot. Dieser Mann war nicht der Bek, den Derra schon so lange kannte. Und er schien Derra nicht zu erkennen, ja nicht einmal wahrzunehmen. Als sei er in seiner eigenen Welt gefangen, gleichgültig gegenüber allem außerhalb der Mauern seines Bewusstseins.
Derras Einschätzung war von der Wahrheit nicht weit entfernt. Er hatte wahrgenommen, wie sie aus der Arena kam,
und tief in seinem Innern hatte seine Seele gejauchzt, dass sie die Begegnung überlebt hatte. Aber jetzt waren seine Gedanken voll und ganz auf den Gegner gerichtet, der ihn erwartete, wenn er in die Arena trat. Leider war es nicht der Gegner, auf den Bek eigentlich treffen wollte. Serrius hatte, wie von Hammar vorausgesagt, Beks Herausforderung nicht angenommen. Stattdessen wartete Tabernar – auf Rang fünfundzwanzig gesetzt und damit der ranghöchste Kämpfer, den Bek nach den Regeln der Arena herausfordern durfte – hinter den Toren auf ihn. Wenn Bek den Kampf gewann, würde er den Rang seines Gegners übernehmen.
Bek hegte keinen Groll gegen Tabernar. Die beiden hatten in einer der letzten Trainingsstunden sogar gegeneinander gekämpft und dabei unbeschwert gescherzt. Bek hatte Tabernars Schnelligkeit und Stärke Respekt eingeflößt, aber er war ziemlich sicher, dass er eine Schwachstelle im Stil des ranghohen Kämpfers ausgemacht hatte. Heute würde sich herausstellen, ob seine Ahnung richtig war oder nicht.
Bek konnte nur sicher sein, Serrius eines Tages in der Arena gegenüberzustehen, wenn er die Ränge emporkletterte, bis er sich unter den ersten fünf befand. Erst dann hatte Bek das Recht, Jez’ Mörder herauszufordern. Erst dann konnte er versuchen, Rache zu üben. Wenn Serrius auf die Idee kam, Bek herauszufordern, würde Bek seinen Willen eher bekommen, aber Serrius hatte keinen Grund, irgendjemanden herauszufordern – es sei denn, um in Übung zu bleiben. Er konnte sich zurücklehnen und darauf warten, dass die Herausforderer zu ihm kamen, doch niemand außer Bek schien die Absicht zu haben, ihm im Kampf gegenüberzustehen und ihm den ersten Rang streitig zu machen.
Bek fühlte sich schuldig, weil sein Wunsch nach Vergeltung dazu geführt hatte, dass Derra gefangenen genommen worden war und nun zum Kampf in der Arena gezwungen wurde. Aber er wusste auch, dass Derra gut auf sich selbst aufpassen
konnte. Auch unter den ranghohen Kämpfern gab es nur wenige, die es mit ihrer Kunst aufnehmen konnten. Garvin würde das natürlich erst nach und nach klar werden, und so war Bek recht überzeugt, dass Derra, falls kein Missgeschick passierte, noch eine ganze Weile am Leben bleiben würde. Diese Zeitspanne der Unklarheit würde Eloise und Fesha Gelegenheit geben, Derra zu
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