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Das verplante Paradies

Das verplante Paradies

Titel: Das verplante Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tate
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Fragen an Henny und Zak gerichtet hatte, wartete niemand auf eine Antwort. Zak nahm einen Anlauf, um zu sprechen, aber Henny hielt ihn am Arm zurück.
    „Er ist ein Irrer“, sagte Zak.
    „Das weißt du schon?“
    „Das sieht doch ein Blinder.“
    „Dann lauf und schreib deinen Bericht. Aber warte ja nicht so lange, bis Latimer dich fragt, warum er ein Irrer ist oder warum du das glaubst. Hat Latimer uns nicht hierherbestellt, obwohl er den Mann bereits in voller Aktion gesehen hatte?
    Erwartet er jetzt nicht eine etwas gründlichere Analyse als die Feststellung: ‚Der Kerl ist ein Irrer, das sieht doch ein Blinder’?“
    „Ach …“
    „Skeptiker“, sagte Simeon. Henny und Zak blickten auf, aber der Blick des Mannes auf der Schaukel war auf irgendeine unsichtbare Vorhölle gerichtet. „Skeptiker haben das gute Recht, skeptisch zu sein – sie haben sich mit so vielen Enttäuschungen abzufinden. Skeptiker sind frustrierte Gläubige, die bitter geworden sind, weil keines ihrer früheren Ziele die Mühe lohnte, ihnen nachzurennen.“
    „Nun, er mischt jedenfalls einen schönen Metaphernsalat zurecht“, sagte Zak.
    „Vielleicht gibt es dafür gute Gründe“, konterte Henny.
     „… Man könnte es für nötig halten, Skeptiker zu überzeugen. Man könnte sich verpflichtet fühlen, sie mit Statistiken zu bearbeiten, mit Beispielen und Präzedenzfällen. Aber warum sollte man ihrem Unglauben soviel Aufmerksamkeit schenken? Man sagt einfach, was man für richtig erkannt hat, und überläßt es ihnen selbst, ob sie annehmen oder ablehnen. Das, was sie für richtig halten, braucht uns nicht zu kümmern, denn Abbrucharbeiter sind schlechte Baumeister.
    Ich habe einen Glauben, aber ich werde ihm keinen Namen geben. Die Erkenntnis muß von euch, aus eurem Inneren, kommen. Ich werde nicht den Versuch unternehmen, euch durch göttliche Autoritäten zu beeindrucken. Wenn ihr euch in Übereinstimmung mit mir befindet, dann braucht ihr keine solchen Hinweisschilder. Wenn nicht – dann kann ich nur hoffen, daß euch die Schau gefallen hat.“
    Simeon neigte den Kopf. Sein Publikum applaudier te, aber er schien sie nicht zu hören.
    Henny, der sich unbewußt genähert hatte, ertappte sich dabei, daß er das Leid zu deuten versuchte, das so tiefe Linien um Simeons geschlossene Augen gegraben hatte.
    Der Halbkreis brach auf. Die Studenten nahmen gesammelt ihren Weg das Kliff hinunter und zurück nach Playa 9.
    Henny stand noch immer, und Simeon verbeugte sich noch, als Zak nach dem Arm des Freundes griff und ihn zum Pfad führte. Kameradschaftlich legte er den Arm um Hennys Schulter.
    „Eine sehr beachtliche Predigt“, sagte er. „Der Bursche versteht schon, Eindruck zu machen.“ Irgendwie fehlte seiner Bemerkung die beabsichtigte Ironie.
    „Hast du das auch gespürt?“ Henny sah ihn aufgeregt an.
    „Na ja …“
    „Mensch, Zak, sag ja oder nein.“
    „Er … ich bin mir nicht sicher. Ich habe eine angeborene
    Abneigung gegen Prediger.“
    „Hör zu … die Elmer Gantrys habe ich auch durchschaut.
    Aber dieser Simeon – was er sagt, ist so neu, daß er es kaum formulieren kann. Er hat solche Schwierigkeiten, es selbst zu begreifen, daß er es einfach ernst meinen muß. Hast du das nicht gespürt?“
    „Er könnte auch einfach ein guter Schauspieler sein.“ Zak ging lange Zeit ohne ein weiteres Wort. Sie waren schon weit in der Stadt und nahe an ihrem Bungalow, als er es für nötig hielt hinzuzufügen: „Ich erwarte von diesen Männern immer, daß sie die Gabe der Rede besitzen. Wer etwas Wichtiges zu sagen hat, der findet auch die Mittel, um es auszudrücken.“
    „Es muß doch nicht jeder ein Philosophieprofessor sein.
    Wenn er wie ein neunmalkluger Ordinarius daherreden und dir jede Menge zehnsilbiger Wörter an den Kopf knallen würde, dann wärst du der erste, der davon redet, man müsse die Sprache des einfachen Mannes sprechen. Und wenn du jemanden triffst, der genau das tut, dann rechnest du ihm jede falsche Betonung und jede schiefe Metapher vor.“
    Zak zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich hast du recht. Deine Sinnesorgane haben schon immer etwas näher an der Oberfläche gelegen als meine. Vielleicht entgeht mir vieles.“
    „Nur keine Sorge, dir entgehen höchstens Schmerzen.“
    „Hey“, rief Zak. „Hast du das Mädchen da gesehen?“
     
    Auch Julie hatte die Neuankömmlinge bemerkt. Immer noch gab es Leute, die ganz zufällig zu Simeon kamen, obwohl sich seine Existenz in Playa 9

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